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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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und an diesen Grundsatz hält er sich. Regelmäßig schlägt er den Jungen. Für jedes noch so kleine Vergehen setzt es Prügel mit dem Gürtel auf das nackte Hinterteil. Jedes Mal versucht Jeroen, den Schmerz stumm zu ertragen. Aber jedes Mal muss er schon nach wenigen Schlägen schreien. Und je mehr er schreit, desto fester schlägt Maarten zu.
    Johanna kann dem wenig entgegensetzen außer Schluchzen und Flehen. »Mach mit mir, was du willst, aber bitte, Maarten, lass meinen Jungen in Ruhe!«
    »Keine Sorge, du kommst als volgende dran«, heißt es stets.
    Danach vergeht er sich an Johanna, während Jeroen sich in einer Ecke der Hütte zusammenkrümmt, die Hände vor den Augen, um nicht sehen zu müssen, wie seine Mutter stöhnend unter dem schweren Mann liegt, der immer wieder brutal in sie hineinstößt.
    Das alles ist seine, Jeroens, Schuld. Wäre er nicht auf der Welt, wäre alles besser. Das hat ihm Maarten immer wieder gesagt. Maarten bestraft Johanna dafür, dass sie sich mit einem »dreckigen Wilden« eingelassen hat, wie er die Papua nennt. Dass das einzige Kind, das sie ausgetragen hat, diese Mischlingsbrut war. Dass sie seitdem nur noch Fehlgeburten hatte.
    *
    Jeroen wächst mit drei Sprachen auf. Mit Maarten spricht er Holländisch. So fällt es ihm leichter, sich vorzustellen, das rotbärtige Scheusal gehöre nicht zu ihnen. Auf Holländisch siezt er ihn und nennt ihn meneer , mein Herr, weil Maarten das verlangt. Immer muss er sagen: Ja, meneer. Nee, meneer .
    Mit sechs Jahren spricht Jeroen besser Holländisch als Johanna und besser Deutsch als Maarten. Außerdem kann er sich mühelos mit den Towei verständigen, denen er immer wieder heimliche Besuche abstattet. Er sucht nach Gemtausu, seinem leiblichen Vater. Noch hat er keinen Erfolg gehabt. Aber eines Tages, das hofft Jeroen, wird er Gemtausu finden. Dann wird er mit Johanna zu ihm gehen, fort von Maarten.
    Denn Maartens Brutalität wird immer schlimmer.
    »Wenn ihr wegläuft, ich finde euch! Und dann ich bringe euch um!«, droht er Johanna immer wieder.
    Jeroen weiß, dass Maarten es ernst meint. Einmal, als Jeroen sich wieder zu lange herumgetrieben hat, hätte er ihn fast im Wasserfass ertränkt.
    *
    Jeroen ist zehn Jahre alt, als Johanna beschließt, Maarten trotz aller Drohungen zu verlassen. Sie kann nicht mehr. Das Leben an Maartens Seite ist schlimmer als der Tod.
    Der Regen hat aufgehört. Johanna hat abgewartet, bis Maarten sein Gewehr genommen hat und aufgebrochen ist, um zu jagen. Weitere wunderschöne Paradiesvögel. Dann packt sie hastig ein paar Sachen ein, während sie ihren Sohn in ihren Plan einweiht.
    Sie will die Handelsstation erreichen, bei der Maarten die Vogelbälge verkauft und Proviant besorgt. Obwohl sie den Weg nicht kennt, ist sie entschlossen, es gemeinsam mit Jeroen zu versuchen. Maarten hat ihr nie erzählt, wo genau die Handelsstation liegt. Aber sie war schon einmal dort – vor vielen Jahren, mit Sander. Sie will Maartens Boot nehmen und dem Fluss folgen, um irgendwann auf die Station zu treffen. Sie kann nur hoffen, dass man ihr dort weiterhelfen wird – und nicht etwa Maarten verständigt.
    Leise schleichen sie sich aus der Hütte. Jeroen hat keine Angst. Die Aussicht, zusammen mit seiner Mutter endlich diesem Scheusal zu entkommen, lässt sein Herz vor Freude aufgeregt schlagen.
    Aber Maarten ist nicht auf der Jagd. Er muss Verdacht geschöpft haben und ist zurückgekommen. Johanna schreit vor Schreck auf, als er ihnen den Weg verstellt. Und nach Jeroen greift.
    »Nein«, stammelt sie. »Bitte, Maarten, tu ihm nichts! Er ist doch noch ein Kind!«
    Maartens Hand krallt sich in Jeroens Schulter.
    Mit der Kraft der Verzweiflung tritt Johanna ihm plötzlich gegen das Schienbein.
    »Lauf!«, ruft sie. »Lauf, Jeroen, lauf weg!«
    Er reißt sich los, rennt. Die Panik verleiht seinen Beinen Flügel. Er ist zwar bei weitem nicht so stark wie Maarten, aber er ist schneller als er. Das Blut rauscht in seinen Ohren, Zweige und nasse Blätter schlagen ihm ins Gesicht.
    Dann hallt ein Schrei durch den Urwald. Und noch einer, voller Schmerz und Todesangst. Jeroen bleibt keuchend stehen. Weitere Schreie, grauenhafte Schreie, sie schrauben sich hoch und immer höher, dann brechen sie ab. Angst schießt heiß durch Jeroens Adern. Er dreht sich um und rennt zurück.
    Als er durch das Dickicht bricht, erstarrt er vor Entsetzen: Maarten steht vor einem Baum und schlägt Johannas Kopf wie von Sinnen immer wieder gegen den dicken

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