Im Herzen der Wildnis - Roman
klang nicht fröhlich.
»Was erwarten Sie von mir?«
»Schenken Sie mir keinen Brillantring. Und legen Sie mir keine Kontoauszüge vor, um mich zu beeindrucken.«
»Tu ich nicht, versprochen! Hat er’s getan?«
»Nein.«
»Er scheint zu wissen, worauf es ankommt. Herz und Verstand.«
»Und Lebensart.«
»Mir wurden in Berkeley die Flausen ausgetrieben.«
»Mir wurden meine in Stanford erst in den Kopf gesetzt.«
Josh nickte anerkennend. »Ich mag Sie sehr.«
»Ich habe Sie auch sehr gern«, gestand sie leise.
Sie schwiegen. Die Stille zwischen ihnen war sanft und innig.
»Sie werden den Kerl heiraten.«
»Wenn er mir gefällt.«
Als der Barkeeper kam, um die Tassen und Gläser abzuräumen, fragte sie: »Wie spät ist es eigentlich?«
»Viertel nach vier, Ma’am.«
»So spät schon!«, stöhnte sie. »Ich war um vier Uhr verabredet!«
»Mit ihm .«
Wie sie ihn ansah! Die Unbeschwertheit der letzten halben Stunde war verflogen. »Nein, mit seinem Vater.«
»Darf ich Sie später zu einem romantischen Abendessen einladen?«, fragte Josh, als sie aufstand. Sein Herz klopfte, und er bebte vor Anspannung.
»Ich diniere mit ihm«, sagte sie. »Im Cliff House.«
Verzweifelt rang er um Fassung. Alles war so schnell gegangen, und plötzlich lief alles aus dem Ruder. Einen Augenblick lang empfand er nichts als Hoffnungslosigkeit. »Wie nobel«, quälte er schließlich hervor.
»So ist er.«
»Sie mögen ihn.«
»Ja, sehr«, sagte sie. »I’ll get two for the price of one. Wenn ich den Sohn heirate, bekomme ich den Vater dazu.«
Josh nickte stumm.
»Ich muss jetzt gehen.« Sie nahm ihre Kamera. »Herzlichen Dank für die Einladung, Sir.«
»Gern geschehen, Ma’am.« Josh kramte ein paar Münzen hervor und legte sie auf die Bar. »Ich fand’s schön, Sie kennengelernt zu haben. Vielleicht stolpern wir ja wieder mal übereinander.«
Sie schmunzelte. »Ich habe das Gespräch mit Ihnen auch genossen, sehr sogar. Ich mag Ihre unkomplizierte und direkte Art«, sagte sie leise. »Bye, Sir. Leben Sie wohl.« Sprach’s, drehte sich um und schritt davon.
Etwas an ihrer Haltung, vielleicht auch die resignierte Geste, mit der sie den Trauerschleier herunterzog, verriet Josh, dass sie gern noch geblieben wäre. Aufgewühlt sah er ihr nach.
Josh, wenn du sie jetzt gehen lässt, bist du völlig bescheuert!
Er stürmte in die Lobby. Vor dem Lift holte er sie ein. Sie drehte sich zu ihm um. Da war etwas in ihrem Blick, das er zuerst nicht deuten konnte. Traurigkeit? Verletzlichkeit?
»Und nach dem Abendessen?« Josh streckte die Hand nach ihr aus und berührte sie. Ein Schmerz, wie von einem kurzen, aber kräftigen Stromschlag, zuckte durch seinen Körper. »Ich würde gern mit Ihnen allein sein.«
Sie starrte ihn an und sagte kein Wort.
Josh trat ganz nah an sie heran. »Ich möchte Sie küssen.«
Sie seufzte leise, schüttelte fast unmerklich den Kopf, und ein gequälter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. Dann sah sie sich rasch in der Lobby um, ob sie beobachtet wurden, schob ihre Hand in seinen Nacken und küsste ihn innig.
Ein warmes Gefühl durchströmte ihn. Es gefiel ihm, wie ihre Hand über seinen Rücken glitt und ihn an sie presste. Er genoss ihre Lippen, ihren Atem, ihre Wärme, ihren Duft. Aber als Josh seine Arme um sie legen wollte, um sie festzuhalten, entzog sie sich ihm und flüchtete in den Fahrstuhl. Bevor sich das Gitter zwischen ihnen schloss, sah er Tränen in ihren Augen. Dann war sie fort. Und er wusste nicht, ob er sie je wiedersehen würde.
»Hey, Cheechako!«
Erschrocken fuhr Josh zusammen. Sein Freund Ian Starling legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Ian, was machst du denn hier?«
»Du bist nach dem Gespräch mit Tom Conroy nicht zurückgekehrt. Ich bin der Suchtrupp.« Ian deutete auf den Fahrstuhl. »Habe ich gerade richtig gesehen?«
Josh nickte langsam.
»Man kann dich wirklich keine fünf Minuten allein lassen. Wer ist sie?«
»Keine Ahnung«, sagte Josh mit tonloser Stimme. »Ich habe sie nicht nach ihrem Namen gefragt.«
»Willst du sie wiedersehen?« Als Josh nickte, packte Ian ihn am Arm. »Komm, wir nehmen die Treppe.«
Wie von Sinnen rannte Josh am Concierge vorbei, stürmte zwei Stufen auf einmal die Treppen hinauf und hetzte mit Ian durch die Gänge, um sie zu suchen.
3
Shannon trat aus dem Aufzug, lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand und lauschte auf ihr Herzklopfen.
Wie lange war es her, dass sie dieses überwältigende Gefühl von
Weitere Kostenlose Bücher