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Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah Sanders
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zurück: den Pferden und den Maultieren, die noch nicht abgesattelt waren, einem Haufen von Gepäck und Ausrüstung und ihrem Bruder, der ihr erwartungsvoll entgegenblickte.
    Müde setzte sie sich auf einen umgestürzten Baumstamm neben dem Stapel von Vorratssäcken. Sie hatte Kopfschmerzen, und der Rücken tat ihr weh. Vor drei Tagen hatte sie sich beim Beladen der Packsättel die Schulter verrenkt. Skip war zu schwach, um ihr zu helfen. Daher musste sie sich jeden Tag um die Ausrüstung kümmern, die Pferde füttern und satteln, die Maultiere beladen, das Zelt aufschlagen, die Wäsche waschen, die Mahlzeiten kochen und das Geschirr spülen. Vorgestern hatte Skips Pferd ein Hufeisen verloren, und sie hatte es neu beschlagen. Gestern war ihr Sattelgurt gerissen, und sie hatte ihn geflickt. Niedergeschlagen dachte sie daran, dass sie sich einfach nur hinlegen wollte, um sich in die Decke zu kuscheln, die schmerzenden Glieder zu entspannen und den Rest des Tages zu schlafen. Sie seufzte, als Skip herüberkam.
    Er hatte den Ärmel hochgeschoben und den abgebundenen Arm steif abgespreizt. Mit einem Stöhnen ließ er sich neben sie auf den Baumstamm sinken und legte die aufgezogene Morphiumspritze neben sich. Er war blass und verschwitzt, und er bebte am ganzen Körper. Der letzte schwere Anfall lag jetzt dreißig Stunden zurück, und der nächste stand offenbar bevor. »Ich schaff’s nicht allein. Ich finde die Vene nicht.«
    »Wie oft hast du’s schon versucht?«
    »Fünf Mal.«
    »Nimm den anderen Arm«, sagte sie müde.
    »Hab ich schon. Acht Mal.«
    »Lass mich mal.« Shannon rutschte vom Baumstamm, kniete sich vor ihn hin und löste den Riemen an seinem rechten Oberarm. Sie schob den linken Ärmel hoch und betrachtete die zerstochene Ellenbeuge, die schon mehrere Blutergüsse aufwies. Sie legte den Riemen an und zog ihn mit einem Ruck zu. Skip presste die Lippen aufeinander. Sie strich über seinen Unterarm. »Bessie dankt dir für das Morphium.« Sie schnipste mit den Fingern. »Gib mir die Spritze.«
    »Ich hab sie gerade noch mal desinfiziert.«
    Schweigend tastete sie nach der Vene, aber sie konnte sie nicht finden. Skip hatte zu oft mit der Nadel hineingestochen. Sie nahm seine Hand und legte sie sich auf das angewinkelte Knie. Mit der flachen Hand schlug sie auf seinen Handrücken.
    »In die Hand?«, fragte er leise.
    »Yup.« Vorsichtig, um ihm nicht unnötig wehzutun, schob sie die Nadel unter die Haut. Ganz sanft zog sie die Spritze auf, und es erschien ein wenig Blut im Glaskolben, das sich mit dem Schmerzmittel vermischte. Sie hatte also die Vene getroffen. Behutsam drückte sie das Morphium aus der Spritze.
    Sofort entspannte sich Skip, weil er wusste, dass seine Schmerzen bald aufhören würden. »Danke.«
    »Schon gut. Brauchst du sonst noch etwas?« Als er den Kopf schüttelte, stand sie auf. »Kurze Verschnaufpause. Fünf Minuten. Allein.«
    »Ist gut.«
    »Leg dich hin, Skip. Bin gleich zurück.« Sie legte die leere Spritze auf den Baumstamm und ging einige Schritte weiter. Mit zitternden Knien ließ sie sich auf einen Felsen sinken, barg das Gesicht in den Händen und schluchzte verzweifelt auf. Dann atmete sie tief durch und blickte nach Norden.
    Die Wolken waren verschwunden, und der Himmel über den dichten Nadelwäldern, die sich bis zum Horizont erstreckten, war in das goldene Licht des Sonnenuntergangs getaucht. Der Regen von gestern hatte eine Fülle von Gerüchen freigesetzt – den Duft von Blüten und Tannennadeln und den Geruch nach feuchter Erde. In der Ferne ragte die schneebedeckte Alaska Range auf. Hinter dem Gebirge lag in einem weiten Tal der Tanana, der im Norden in den Yukon mündete. Angesichts der unermesslichen Weite Alaskas seufzte sie.
    So viele Goldsucher, die auf dem Trail nach Norden zogen, hatte sie in den letzten Tagen nach Jay gefragt, doch niemand konnte sich an ihn erinnern. Fünfundsiebzig Meilen waren sie geritten, das entsprach fünfundsiebzig Tagesmärschen der Goldgräber – und keiner von ihnen hatte Jay gesehen! War er denn nicht hier entlanggeritten?
    Jay, wo bist du? Wie soll ich dich in dieser grenzenlosen Einsamkeit finden?
    Die Aussichtslosigkeit der Suche lähmte sie. Verzweifelt rang sie mit den Tränen, als sie sich in Erinnerungen verlor. Wie verliebt und glücklich sie gewesen waren! Sie dachte an Jay, der neben ihr in Ians Bett lag, seinen Arm um sie legte und sich ganz eng an sie schmiegte. Sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren und

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