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Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah Sanders
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seinen Duft riechen. Sie konnte fühlen, wie er seine Hand auf ihren Bauch legte und sagte: Das ist unser Kind.
    Andere Bilder schoben sich vor diesen Traum vom Glück. Eine kleine Babyhand, die nach ihrem Finger griff, ihn ganz fest hielt und nicht mehr losließ. Ein strahlendes Kinderlächeln, das ihr Herz höher schlagen ließ. Ein energisches Strampeln unter der Decke der Wiege. Ein glückliches Krähen und Quietschen.
    Sie stellte sich Jay vor, der sich stolz über die Wiege beugte und ein Stofftier in der Hand hielt. Und sie sah Jay, der sein Kind auf den Arm nahm und es sich über die Schulter legte.
    Bessie hat recht, dachte sie. Mein Kind braucht einen Vater.
    Sie warf einen letzten Blick auf die endlosen Wälder Alaskas, dann kehrte sie zu Skip zurück, der sie betroffen anblickte. Er hatte ihr Schluchzen gehört. »Wie viele Morphiumspritzen haben wir noch?«
    »Nur eine.«
    »Sechsunddreißig Stunden ohne Anfall.« Der Ritt über den Thompson Pass, am Blueberry Lake und am Worthington-Gletscher vorbei und durch den Keystone Canyon dauerte vier oder fünf Tage, wenn sie sich beeilten und nicht allzu oft rasteten. Eine lebensgefährliche Tortur für Skip. Ihr Bruder brauchte ein Bett, einen Arzt und ausreichend Morphium. Shannon fuhr sich über das Gesicht. »Wie geht’s dir?«
    »Schon viel besser«, presste er hervor.
    »Kannst du reiten?«
    Er nickte.
    »Hältst du noch ein oder zwei Stunden durch, bevor du aus dem Sattel kippst?«
    Wieder nickte er.
    »Wir kehren um«, sagte sie entschlossen. »Wir reiten zurück nach Valdez. Caitlin hatte recht: Ich bin selbstsüchtig. Verzeih mir, dass ich dir die Strapazen des Trails zugemutet habe. Ich bin zu weit gegangen.«
    »O Gott, Shannon!« Er schüttelte den Kopf. »Und Jay?«
    »Ich werde ihn wohl nie wiedersehen.«
    »Es tut mir so leid.«
    »Wir lassen alles zurück, was wir nicht brauchen.«
    Trotz seiner Sorgen um sie und trotz seiner Traurigkeit über ihr Scheitern wirkte Skip erleichtert über ihre Entscheidung zur Umkehr. »Wann brechen wir auf?«
    »Jetzt.«
    Mit der Kaffeetasse in der Hand schlenderte Josh durch die Hütte der beiden Norweger. Die kleinen Fenster gaben den Blick auf den Gletscher oberhalb der Hütte frei, der sich in einem Bergsee spiegelte. Das Rauschen des Gletscherflusses drang bis in die Hütte. Eines der Fenster war zertrümmert. Aber wie mochte der Bär sich da hindurchgezwängt haben?
    Josh trank einen Schluck Kaffee. Der Bär hatte gestern, als sie in den Bergen gewesen waren, ziemlich gewütet. Håkon und Arne hatten Colin, Rob und Josh das Tal hinaufgeführt, um ihnen den blau und grün schimmernden Berghang zu zeigen, der nach Robs Einschätzung aus gediegenem Kupfer mit Spuren von Silber und Gold bestand. Was für ein Fund! Nachdem Rob zwei Stunden lang auf dem steilen Berghang herumgeklettert war, um Gesteinsproben zu nehmen, war er sicher, dass die Prospektoren von Tyrell & Sons auf das größte Kupfervorkommen der Welt gestoßen waren. Auf dem Rückweg hatte Rob mit Colin über den Abbau und den Transport des Kupfers nach San Francisco gesprochen. Im Sommer müssten Packpferde das Erz zum Hafen von Valdez schaffen, im Winter Huskyschlitten, denn der Bau der Eisenbahn würde sich noch Jahre hinziehen. Als sie am späten Nachmittag zum Lager zurückgekehrt waren, hatten sie den Bären vertrieben, der unterdessen die Hütte verwüstet hatte.
    Josh blickte sich um. Der gusseiserne Ofen in der Ecke war umgestoßen, das Ofenrohr herausgerissen worden. Die Landkarten, die Håkon und Arne unter den Dachsparren befestigt hatten, waren heruntergefetzt worden. Die Schnipsel lagen auf dem Boden verstreut. So wie die Konservendosen, die der Bär in Blechfetzen zerbissen und ausgeschlürft hatte. Nur die Fotos an den Wänden waren unversehrt.
    Einen Augenblick lang glaubte er, dass Colin ihn gerufen hätte, aber seine Huskys jaulten vor ihrem Aufbruch nach Nome derart aufgeregt, dass er sich vermutlich getäuscht hatte. Er lauschte. Nein, er hatte sich wohl verhört. Vielleicht spielte Rob mit Randy, der sich vor Freude nicht mehr einkriegte.
    Vor der Fotowand blieb er stehen und nippte an seinem Kaffee. Håkon und Arne waren ziemlich weit in der Welt herumgekommen. Davon kündeten nicht nur die tibetischen Gebetsfahnen, die vom Dach der Hütte zu einem aufgeschichteten Steinhaufen gespannt waren. Auch die Fotos und Postkarten erzählten von ihren Reisen in die ganze Welt. Auf einem der Schnappschüsse war Håkon zu sehen, der

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