Im Herzen der Wildnis - Roman
jedoch nicht verstehen konnte. Also verließ sie sich auf ihr Gefühl.
Dann passierte es! Eine Welle türmte sich steiler auf, als sie zunächst angenommen hatte. Ihr Surfboard bohrte sich ins Wellental, das Wasser strömte über das Brett und drückte die Spitze nach unten, sodass sie das Gleichgewicht verlor, als das Board kenterte. Sie schaffte es nicht, sich seitlich ins Wasser fallen zu lassen, sondern kippte vornüber – auf das Board!
Der Aufprall raubte ihr den Atem, und sie schluckte Wasser. Intuitiv rollte sie sich zusammen, zog die Beine an, um ihren Bauch zu schützen, und rollte sich ab, sodass sie ins Wasser fiel. Die Welle schwappte über sie hinweg und wirbelte sie herum. Sie tastete nach der Leine an ihrem Knöchel und zog sich daran hoch. Prustend tauchte sie auf. Gerade noch rechtzeitig konnte sie dem Surfboard ausweichen, das von der nächsten Woge vorwärtsgerissen wurde, und tauchte unter dem wirbelnden Wasser hindurch. Als sie wieder hochkam, sah sie, dass Evander auf sie zukraulte. »Bist du verletzt?«
»Alles in Ordnung.« In diesem Moment spürte sie einen reißenden Schmerz in ihrem Unterleib. Japsend griff sie nach dem Board, um sich daran festzuhalten.
»Hast du Schmerzen?«, fragte Evander besorgt. »Das Kind?«
Sie nickte.
Evander reagierte sofort. »Rob!« , brüllte er und winkte ihn heran. »Shannon, ich hebe dich jetzt auf das Surfboard, damit du dich hinlegen kannst. Ich bringe dich zum Strand.«
»Ist gut«, knirschte sie. Ein neuer Krampf wühlte sich durch ihren Unterleib. Hoffentlich waren das keine Wehen!
Evander löste den Knoten der Leine an ihrem Knöchel, legte sie sich um und zog das Surfboard mit kräftigen Schwimmstößen zum Ufer. Behutsam trug er sie zu ihrem Lager, wo er sie absetzte. Er legte seine Hand auf ihren Bauch. »Ich kann es spüren. Das Kind bewegt sich. Alles wird gut.«
Ein erneuter Krampf ließ sie mit den Zähnen knirschen.
»Du bist nicht im dritten Monat, nicht wahr? Meine Schwester Kiri war im fünften, als ich vor Kurzem meine Familie besucht habe. Sie hatte auch dieses Strahlen in den Augen. Du siehst toll aus, Shannon.«
Keuchend rang sie nach Atem.
»Rob ist nicht der Vater deines Kindes. Es ist der andere, den du in Alaska gesucht hast.«
Sie war so überrascht, dass sie für einen Augenblick sogar ihre Schmerzen und ihre Angst vor einer vorzeitigen Geburt vergaß. »Du weißt es?«
»Mr Mulberry hat dein Boot erkannt, als es am Bootssteg vor dem Haus festgemacht wurde. Er hatte es im Hafen von Valdez gesehen, während Rob mit Colin unterwegs war.«
Ihr Atem ging stoßweise. »Weiß Rob, dass ich dort war?«
Evander nickte. »Er bewundert dich für deinen Mut. Er ist ziemlich stolz auf dich.«
»Und Tom?«
»Er hat keine Ahnung.«
Stöhnend ließ sie sich in die Kissen zurücksinken.
Behutsam strich Evander über ihren Bauch, damit sie sich entspannte und die Wehen aufhörten. »Willst du Tom irgendwann erzählen, dass das Kind nicht sein Enkel ist?«
Sie zögerte. »Ich weiß es nicht. Es würde ihm sehr wehtun.«
»Es nähme ihm die Lebensfreude, die du ihm in den letzten Monaten geschenkt hast. Er hat sich verändert, seit er dich getroffen hat – so kenne ich ihn gar nicht. Darf ich dir als Freund einen Rat geben? Sag es ihm nicht. Er ist so glücklich, dass Rob sich in dich verliebt hat und dass du schwanger bist. Lass ihn glauben, dass es Robs Kind ist.«
»Ich weiß nicht, wie lange ich meinen Zustand noch unter weiter Kleidung verbergen kann. Wir leben im selben Haus.«
Evander schluckte. »Tom wird schon bald Morphiumspritzen brauchen.« Er biss sich auf die Lippen, und Shannon ahnte, wie nahe ihm Toms Sterben ging. »Sein klarer Verstand wird schon bald …« Er verstummte und blickte zum Meer.
Rob zog die Surfboards auf den Strand und stürmte herüber. »Shannon, um Gottes willen! Geht es dir gut?«
»Die Schmerzen lassen schon nach«, beruhigte sie ihn.
»Sie hatte vorzeitige Wehen«, erklärte Evander. »Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Dem Kind geht es gut.«
Während des Abends genoss Shannon die Aufmerksamkeit von Rob und Evander, die sie rührend umsorgten. Sie fuhren nicht zurück nach Honolulu. Evander schichtete Treibholz auf und entfachte ein Feuer, während Rob den Korken einer Champagnerflasche knallen ließ. Entspannt lauschten sie auf das Rauschen der Brandung und das Knacken des Treibholzes, plünderten den Picknickkorb und genossen trotz der Aufregung einen unvergesslich schönen
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