Im Herzen der Wildnis - Roman
die Familie meines Vaters verachtet mich wegen meiner Herkunft als Maori.«
»Hat Alexander Burton dich als seinen Sohn anerkannt?«
»Als ich einundzwanzig war, stand ich vor seiner Tür. Bis dahin hatte ich als Maori gelebt – daher die Tattoos. Aber ich wollte eine englische Ausbildung. Ich wollte studieren.«
»Hast du?«
»Oxford. Trinity College. Wirtschaftswissenschaften und Unternehmensführung.«
»Hast du die höheren Weihen? Als Mitglied im Boat Club?«
»Ich habe für Oxford gerudert.«
»Es war bestimmt nicht leicht für dich.«
»Wegen meiner T ā moko, meiner Tattoos? Nein, es war tatsächlich nicht leicht. Ich musste kämpfen, um akzeptiert zu werden. Mein Leben lang musste ich kämpfen, um zu bekommen, was ich wollte. Anerkennung, Respekt, Liebe.«
»Tom liebt dich wie einen Sohn.«
»Und ich ihn wie einen Vater. Er macht keinen Unterschied zwischen mir und Rob. Ich bin ein Conroy, auch wenn ich den Namen nicht trage. Tom hat mehr für mich getan als der Mann, dessen Namen ich angenommen habe.«
Er küsste ihre Fingerspitzen auf seiner Schulter, und sie nahm ihre Hand fort. »Willst du ein Sandwich?«
»Ja, gern.«
»Thunfisch? Hühnchen?«
»Egal.«
Sie holte ein Sandwich aus dem Korb und gab es ihm.
»Danke.« Er wickelte es aus und biss herzhaft hinein.
»Wie heißt du wirklich?«
»Moana.«
»Was bedeutet der Name?«
»Weit wie das Meer.«
»Der Name passt zu dir«, sagte sie. »Jetzt verstehe ich, warum du so leidenschaftlich gern surfst.«
»Ich bin eben ein Maori. Es liegt mir im Blut. Es gehört zu meiner Kultur.« Er sah ihr in die Augen. »Willst du’s lernen? Ich könnte es dir beibringen. Hättest du Spaß daran?«
»Ja, sehr.«
»Na, dann komm!«
Evander legte sein Sandwich weg und schleppte sein Board zurück in die Brandung. Shannon folgte ihm. Er befestigte die Verbindungsleine zwischen Board und Surfer an ihrem Knöchel. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick wieder auf ihren Bauch. »Ich trage dir das Board ins Wasser.«
Shannon watete ihm nach, bis er stehen blieb, das Surfboard auf dem Wasser absetzte und es festhielt, damit es nicht abtrieb. »Schaffst du’s aufs Board?«
Sie versuchte es, aber sie rutschte wieder ab.
»Warte, ich helfe dir.« Evander packte sie und hob sie mühelos hoch, sodass sie auf das schwankende Board kriechen konnte. Sie legte sich hin und rutschte vorwärts. »So richtig?«
»Noch ein bisschen.«
Sie zog sich noch weiter nach vorn. »Gut so?«
»Genau richtig. Jetzt kannst du paddeln.«
Kraftvoll zog sie abwechselnd beide Arme wie Ruder durch die gischtige Brandung.
»Schultern hoch. Richte dich auf. Dann hebt sich das Board vorn aus dem Wasser.« Er watete neben ihr her ins tiefe Wasser. »Das machst du toll. Man merkt, dass du keine Angst vor dem Wasser hast.«
»Ich segele, seit ich acht bin. Meine Brüder und Cousins haben mich oft genug über Bord geschubst.«
Evander erklärte ihr, wie sie aufstehen konnte, ohne zu kentern. Schwankend kam sie hoch. Es fiel ihm sichtlich schwer, nicht auf ihren Bauch zu starren. Stattdessen glitt sein Blick an ihren langen Beinen entlang.
Rob ließ sich von einer Welle zu ihnen tragen. »Na, ihr beide? Habt ihr euren Spaß?«
In diesem Augenblick verlor Shannon das Gleichgewicht und fiel ins Wasser. Prustend kam sie wieder hoch. Rob war neben ihr und hielt sie fest. »Hast du dir wehgetan?«
»Alles in Ordnung.«
»Komm, ich helf dir.« Schwungvoll hob er sie hoch, sodass sie aufs Surfboard zurückkriechen konnte. »Da vorn kommt eine Welle. Traust du dich?«
»Sicher.« Sie fing an zu paddeln, richtete sich auf, hielt das Gleichgewicht und ließ sich von der Welle zurück zum Strand tragen. In der Brandung sprang sie vom Brett, drehte es um und watete zurück zu Evander und Rob. »Na?«
»Gar nicht schlecht!«, grinste Rob stolz.
»Ziemlich gut sogar!«, meinte Evander anerkennend. »Na los, gleich noch mal. Da kommt die nächste Woge!«
Während Rob weiter draußen die großen Wellen ritt, übte Shannon fast zwei Stunden lang mit Evander, das Board zu steuern, die Gleitgeschwindigkeit an den Wellenhängen zu beherrschen und nicht in voller Fahrt herunterzufallen. Einmal gelang es ihr, mit hoher Geschwindigkeit über eine Woge zu flitzen und bis zum Strand zu gleiten. Schon bald wagte sie sich an die größeren Wogen weiter draußen heran. Evander schwamm mit ihr hinaus und blieb bei ihr, bis sie lospaddelte. Er brüllte Anweisungen, die sie im Tosen der Wellen
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