Im Herzen der Wildnis - Roman
lachte trocken.
Sherrie stand am Herd und beobachtete ihn. Ihre Hand ruhte auf ihrem gewölbten Bauch. »Wann willst du ihr sagen, dass wir verheiratet sind? Und dass wir ein Kind erwarten?«
»Wenn sie ihren Colt entsichert und auf mich richtet.«
Jake prustete los und schlug sich auf die Schenkel.
Colin und Sherrie hatten kurz vor Weihnachten geheiratet. Nach dem Tod ihres Mannes vor drei Jahren in Arizona war sie nach Alaska gekommen, um Gold zu suchen. Vor einem Jahr hatte Colin sie beim Pokern kennengelernt. Er hatte ihr alles abgenommen, was sie gefunden hatte, und hatte sie anschließend hingebungsvoll getröstet. In Nome waren die beiden übereinandergestolpert. Und so stürmisch ihre Beziehung angefangen hatte, so ungestüm ging sie weiter: Colin und Sherrie verliebten sich. Ihre Affäre war leidenschaftlich. Und Colins Heiratsantrag im Creamerie Café, der Sherrie völlig überrascht hatte, hatte alle zu Tränen gerührt: Vor zweihundert Gästen, die er eingeladen hatte, ohne dass Sherrie davon wusste, hatte er sich zu seiner Liebe bekannt und sie gefragt, ob sie ihn heiraten wollte. Das ausgelassene Gejohle und Geballere hatte fast ihr gerührtes »Ja, ich will!« übertönt. Die beiden waren so glücklich!
»Du bist der Erbe, Colin«, erinnerte Josh ihn ernst. »Aidan sitzt seit Jahren auf Alcatraz, Eoghan ist in Washington, und Shannon ist ausbezahlt. Sie ist keine Tyrell mehr. Sie kann nicht mehr erben.«
Colin schnaufte, und ein weißer Atemhauch umgab ihn. Trotz des Feuers im Herd war es in der Hütte noch immer sehr kalt. »Josh, meine Ehe mit Sherrie ist nicht das, was Caitlin unter einer standesgemäßen Heirat versteht. Ich werde ihr Sherrie erst vorstellen, wenn ich in einigen Jahren nach San Francisco zurückkehre. Meine Frau und mein Kind will ich so lange wie möglich aus der Schusslinie halten. Granny wird toben, wenn sie davon erfährt.«
Er las weiter:
»… habe ich dir einen Stapel Zeitungen und Zeitschriften von Shannons Hochzeit mit Rob geschickt. Es sind nicht alle Artikel, die über die beiden erschienen sind, aber die wichtigsten. Shannon führt ein glamouröses Leben. Und sie macht Furore: Ihre Dinnerpartys sind berühmt, ihre Einladungen begehrt. Siehe den Gesellschaftsteil in den Zeitungen aus San Francisco und New York. Ich habe die Artikel markiert. Ihre Kleider und ihr Schmuck sind höchst elegant. Artikel in der Vogu e, die sie zur bestangezogenen Frau Amerikas gewählt hat. Ihr Anwesen in San Francisco ist spektakulär. Fotoreportage in The Ladies’ Home Journal aus Philadelphia. Mit ihrem Mann leitet sie äußerst erfolgreich Conroy Enterprises. Lies die Artikel im Examiner über Conroy Electrics, im Chronicle über Investitionen in Australien und Kanada sowie im Wall Street Journal über den Kampf um die Vorherrschaft im Welthandel mit Diamanten. Und sie hat Rob. Er – und sein Vater, der an Weihnachten starb – ist das Beste, was deiner Schwester widerfahren konnte.« Colin ließ den Brief sinken. »Solche Lobeshymnen kenne ich gar nicht von ihr!«, wunderte er sich. »Haben sie ihr Frostschutzmittel ins Essen gemischt? Granny ist ja richtig stolz auf Shannon!«
»Es ist doch offensichtlich, was Caitlin damit sagen will«, merkte Josh an.
»Heirate!«, erwiderte Colin trocken.
Er lächelte matt. »Mit Ausrufezeichen!«
Jake, der in einer Zeitschrift geblättert hatte, reichte ihm die Vogu e über den Tisch. Der Artikel über Shannons und Robs Hochzeitsparty war aufgeschlagen. Josh legte das Heft auf den Tisch und blätterte darin. Shannons Abendkleid war wirklich spektakulär. Die schwungvolle und stilisierte Zeichnung in der Vogu e war nicht so deutlich, wie es ein Foto gewesen wäre, aber dafür war sie in Farbe. Die Seide schimmerte matt, der kostbare Brokat glitzerte, die Farbe schmeichelte ihrer Haut und ihrem Haar. Josh stutzte. Ihr Gesicht … ihr Haar …
Nein, das konnte nicht sein! Oder doch? Er wusste, wie seidig ihr Haar war, wie es duftete. Er wusste, wie es sich anfühlte, diese Frau zu umarmen und zu küssen. Sie zu lieben, zu begehren, mit ihr zu lachen und zu weinen, sie zu trösten …
»Josh?«, fragte Jake besorgt. »Was ist denn?«
»Gibt es auch ein Foto von Shannon und Rob?«
»Ja, sicher.« Jake wühlte in dem Haufen von Zeitungen und zog einen Examiner hervor. »Auf der Titelseite.«
Mit bebenden Händen breitete Josh die Zeitung auf dem Tisch aus. Unter der Schlagzeile L EIDENSCHAFTLICHE L IEBESHEIRAT auf der Titelseite stand
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