Im Herzen der Wildnis - Roman
für Colin noch eine Tasse übrig?«
Sie nickte. »In der Kanne auf dem Herd.«
»Und für dich?«
Sie antwortete nicht. Josh trank noch einen Schluck, dann drückte er ihr die Tasse in die Hand. Sie lächelte ihn an und strich ihm über die Schulter. »Danke, Josh.«
»Bleib in der Hütte, Sherrie. Es ist zu kalt für euch beide.«
Sie ging wieder hinein, um das Feuer im Ofen für ein Frühstück morgens um zwei zu schüren. Josh freute sich auf das Essen. Sherrie war eine fantastische Köchin: Er erinnerte sich noch an den köstlichen Bärenschinken, den sie Colin, Jake und ihm an Weihnachten vorgesetzt hatte, nachdem sie sich gegenseitig beschenkt hatten. Oder die leckere Fischsuppe an Silvester, bevor sie alle ziemlich betrunken draußen vor der Hütte Arm in Arm Auld Lang Syne gegrölt und mit ihren Colts ein lautes Feuerwerk veranstaltet hatten. Im Januar waren die Vorräte knapp geworden, im Februar waren die Karibuherden weitergewandert, im März hatten sie sich von den Robben ernährt, die die Inuit an den Eislöchern im Sound erlegt hatten, im April hatte der Hunger begonnen – und das erste Schiff aus Kalifornien sollte erst Mitte Juni kommen! Hatten die verzweifelten Telegramme nach San Francisco daran etwas ändern können? Oh ja! Caitlin und Charlton hatten nach Washington telegrafiert. Colins trockener Kommentar: »Ist schon praktisch, wenn man einen Cousin im Kongress hat, der im Weißen Haus diniert.« Drei Tage später war der Eisbrecher aufgebrochen – das war vor fast vier Wochen gewesen! Offenbar waren weite Teile der Beringsee noch immer zugefroren. Vielleicht hatte er in einem Eissturm festgesteckt.
Colin hatte jetzt den verschneiten Strand erreicht. Er hielt den Schlitten an, sprang ab, wuchtete das schwere Gefährt schwungvoll hoch und klappte mit dem Fuß das Fahrgestell herunter, das ihm im letzten Herbst, als er daran herumbastelte, so viel Spott eingebracht hatte. Jetzt im Mai lag nicht mehr genug Schnee für die Stahlkufen – aber Colins Schlitten hatte Räder. Zwei Fahrräder hatte er dafür bis zur letzten Schraube zerlegt, zwei Monate daran geschweißt, gesägt, geschraubt, gehämmert und geflickt. Aber es funktionierte!
Hechelnd kamen die Huskys näher. Colin winkte aufgeregt.
Jake trank einen Schluck von seinem Kaffee, dann gab er Josh die Tasse. »Was hat er da in der Hand?«
»Sieht aus wie eine Zeitschrift.« Nachdem er vom Kaffee getrunken hatte, gab er Jake die Tasse zurück.
Colin hielt vor seiner Hütte. »Whoa!« Er sprang ab und winkte sie heran. »Helft mir mal!«
Josh folgte Jake zum Schlitten und wuchtete mit ihm eine Holzkiste heraus, die sie gemeinsam in die Hütte trugen und auf dem Tisch abstellten. Colin warf einen Stapel Zeitungen und Zeitschriften auf einen Stuhl. Sherrie schloss die Tür und ging hinüber zu Colin, der seinen Arm um sie legte und sie küsste. Unterdessen hebelten Jake und er mit ihren Bowiemessern den Deckel von der Holzkiste.
»Ein Brief!« Josh reichte den Umschlag Colin und wühlte zwischen dem hart gefrorenen Obst und Gemüse nach Kartoffeln. Sherrie kam mit einem Topf vom Herd zu ihm herüber. Josh warf etliche Hand voll hinein, damit sie die Kartoffeln über dem Herdfeuer kochte.
»Bratkartoffeln mit Schinken und Eiern!«, seufzte Jake und wühlte mit beiden Händen in der Kiste voller Lebensmittel. »Und danach Orangen aus Kalifornien! Und Schokolade! Heute ist der schönste Tag des Jahres!«
Während Sherrie die Kartoffeln aufsetzte, riss Colin den Umschlag auf und zog den Brief hervor. »Von Caitlin.« Er setzte sich und überflog die ersten Zeilen. »Ich liebe Granny.« Er verzog die Lippen. »Wenn ich sie nicht gerade hasse.«
Jake versuchte, mit seinem Bowiemesser eine Banane zu schälen, aber er schaffte es nicht. Ungestüm schnitzte er an der harten Schale herum, als wäre die Banane ein Stück Treibholz, das er am Strand gefunden hätte.
»Colin, die Explorer hat eine Tonne Lebensmittel für dich an Bord«, las Colin laut den Brief von Caitlin vor. »Charlton hat für Josh ebenfalls eine Tonne verladen lassen … Eoghan im Kongress … Rettungsaktion für Nome … Präsident McKinley, der nächste Woche nach San Francisco kommen wird, hat sofort reagiert und einen Eisbrecher der US Navy …« Er drehte den Brief um und las weiter. »Ich wünschte, du könntest dich entschließen, im nächsten Winter nach Hause zu kommen wie Josh im letzten Jahr. Es wird Zeit, dass du heiratest und für einen Erben sorgst.« Colin
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