Im Herzen der Wildnis - Roman
oder Unterstellungen und bedurften keiner Antwort, die als Rechtfertigung missverstanden werden konnte.
Skip war schon wieder auf dem Weg zur Tür.
Eoghan stieß seinen Stuhl zurück, folgte Skip und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Skip, bitte bleib hier!«
Skip schüttelte seine Hand ab. »Wozu? Wir haben uns doch nichts zu sagen.«
»Ich mache mir auch Sorgen um dich.«
»Wenn du dich auf diese Weise besser fühlst …«
»Skip, warum flüchtest du dich in den Opiumrausch?«
»Weil ich euch sonst nicht ertrage.«
»Skip …«
»Eoghan«, mahnte Shannon. »Lass ihn doch in Ruhe!«
»Siehst du, Eoghan, das meine ich«, sagte Skip. »Diese Verlogenheit ist mir zuwider. Diese Scheinheiligkeit. Diese Inszenierung einer glücklichen und erfolgreichen Familie, die sich liebt und achtet. Die füreinander einsteht, in guten wie in schlechten Tagen. Ich kann diese Lüge nicht mehr ertragen. Ich kann sie nicht mehr leben .«
»Du lebst doch gar nicht!« Reámon stand auf und ging zu Eoghan und Skip hinüber. »Du drückst dich vor dem Leben. Du übernimmst keine Verantwortung und flüchtest dich in den Opiumrausch.« Mit dem ausgestreckten Arm stieß er seinen Neffen an der Schulter zurück. »Du bist ein Versager, Skip.«
Wie immer legte er seinen Finger gnadenlos in die Wunden anderer und bohrte ihn tief ins schmerzende Fleisch. Shannon sprang auf und schlug auf den Tisch. »Schluss jetzt!«
»Sogar als Selbstmörder bist du ein Versager!« Reámon stieß Skip erneut so heftig vor sich her, dass der zurücktaumelte.
Shannon stellte sich vor ihn. »Ich sagte: Schluss jetzt!«
Reámon wollte an ihr vorbei auf Skip losgehen, doch sie trat zur Seite und stellte sich ihm erneut in den Weg. »Sie werden sich bei Skip entschuldigen, Sir«, forderte sie.
Reámon fluchte. »Den Teufel werde ich …«
Sie gab nicht nach. »Wenn Sie es nicht tun, sind Sie ein heuchlerischer Moralprediger. Ihr missionarischer Eifer soll doch nur von Ihrer innigen Freundschaft mit Mr Jack Daniel aus Tennessee ablenken.« Sie ließ ihn gar nicht zu Wort kommen: »Skip hat nicht versucht, Selbstmord zu begehen. Hätte er es wirklich gewollt, hätte er es auch geschafft, denn er kennt die Dosis genau. Nein, Skip tut nichts anderes als Sie jeden Abend in der Bibliothek. Er flüchtet sich in den Rausch und meidet den Kampf, der die Situation ändern würde, unter der wir alle leiden.«
»Shannon, das ist …«
»Wissen Sie, aus welchem Grund ich zögere, Rob zu heiraten? Nicht der wichtigste Grund, das gebe ich zu, aber einer, der mir sehr nahegeht. Ich könnte meinem Mann nicht in die Augen sehen, wenn er heute Abend hier wäre. Denn ich schäme mich für meine Familie.« Einen Augenblick lang herrschte betretenes Schweigen. »Entschuldigen Sie sich, Onkel Reámon!«, forderte Shannon bestimmt.
»Shannon, nicht in diesem Ton!« Reámon erhob seine Stimme. »Das ist …«
»Entschuldigen Sie sich für das Unrecht, das Sie Skip angetan haben, als sie ihn einen gescheiterten Selbstmörder nannten!«, beharrte sie entschlossen. »Wenn Sie das fertigbringen, sind Sie in meiner Achtung wieder so weit gestiegen, dass ich Sie mit Sir anreden kann.«
Caitlin applaudierte schweigend. Schließlich legte sie beide Hände auf den Tisch. »Reámon, du hast Shannon gehört.«
»Ma’am!«
Caitlin gab nicht nach. »Sie hat recht, Réamon. Du wirst tun, was sie von dir verlangt!«
Zähneknirschend fügte sich Reámon dem Willen seiner Mutter und entschuldigte sich in unaufrichtigem Tonfall bei Skip, der sich wortlos umdrehte und mit seinem Bourbon durch den Saal taumelte, um in sein Zimmer zu gehen. Noch vom Opium berauscht, stolperte er über den Teppich und stürzte zu Boden. Eoghan wollte ihm aufhelfen, doch Skip stieß ihn von sich und versuchte aus eigener Kraft, auf die Beine zu kommen. Als er es nicht schaffte, schluchzte er auf und streckte seine Hand nach Shannon aus.
Entschlossen packte sie sein Handgelenk und zog ihn hoch. Weinend taumelte er gegen sie, aber sie legte ihren Arm um ihn und hielt ihn fest. Dann nahm sie ihm das leere Glas aus der Hand und gab es Eoghan, damit er es auf den Tisch stellte. »Komm, Skip, ich bringe dich nach oben.«
Skip weinte, als sie ihn ins Bett steckte. Sobald er eingeschlafen war, ging sie in ihr Zimmer und zog sich um. Weiße Leinenhose, dicker Wollpullover, blaue Jacke. Dann ging sie hinunter. In der Bibliothek fand sie Onkel Reámon mit seinem besten Freund Jack in stillem Gedankenaustausch
Weitere Kostenlose Bücher