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Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah Sanders
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ihn zu Ende zu denken: Sie konnte Josh nur lieben, wenn sie Rob aufgab. Das konnte und wollte sie nicht. Rob war so sehr ihr Mann, wie Josh sich zärtlich und leidenschaftlich darum bemühte, es zu sein.
    Er küsste sie. »Ich werde immer auf dich warten.«
    Wie jeden Morgen wurde er gegen fünf Uhr dreißig geweckt. Nur mit der Unterhose bekleidet, führte man ihn wie jeden Dienstag zum Duschen. Dafür blieben ihm zehn Minuten, in denen er keinen Augenblick allein war. Er rasierte sich, faltete das Handtuch vorschriftsmäßig zusammen, legte seine Seife, die Zahnbürste und das Zahnpulver darauf und stieg in seine blaue Anstaltskleidung. Dann wurde er in seine Zelle zurückeskortiert, die in der Zwischenzeit durchsucht worden war. Wie jeden Dienstag räumte Aidan seine Zelle wieder auf, legte das Kissen zurück aufs Bett und zog die Wolldecke wieder glatt. Nach dem Frühstück um sechs erschien Captain Myles und klopfte mit seinem West-Point-Ring gegen das Zellengitter. »Guten Morgen, Sir. Sie haben heute Hofgang. Treten Sie ans Gitter, damit Ihnen die Fesseln angelegt werden können.«
    Aidan streckte seine Hände durch die Klappe im Gitter und ließ sich ruhig die Ketten anlegen. Dann wurde die Zelle aufgeschlossen und das Gitter zurückgeschoben. Breitbeinig wartete er, bis die Fußeisen eingerastet waren. Schließlich öffnete Captain Myles die quietschende Tür, und Aidan trat in den Hof, der von einer hohen Backsteinmauer umschlossen war. Sie verwehrte den Blick auf das glitzernde Wasser der Bay und die Hochhäuser von San Francisco, die jedes Jahr höher in den Himmel wuchsen. Mit einem metallischen Krachen fiel die schwere Tür hinter ihm ins Schloss. Er war allein im Hof.
    Tief atmete er die salzige Luft des Meeres ein, genoss die kühle Brise auf seinem Gesicht und in seinem Haar und lauschte auf das Kreischen der Möwen, die über Alcatraz am nebligen Novemberhimmel schwebten. Und wie jedes Mal, wenn er seine Viertelstunde auf diesem Hof verbrachte, dachte er an das, was sie ihm nie wegreißen konnten, wenn sie ihm seine Freiheit nahmen, was sie nie aus ihm herausprügeln konnten, wenn sie ihm seine Würde nahmen: seine Hoffnung. Sie gehörte ihm allein, nur ihm.
    In diesem Augenblick, als er den Kopf in den Nacken legte, sah er dort oben die Blume. Sie wuchs auf dem Sims der Backsteinmauer. Er musste an einem vergitterten Fenster hochklettern und sich am Sims hochziehen, um sie zu erreichen. Die Ketten klirrten gegen die Steine, als er einen Fuß auf die Mauer schwang und sich daran hochzog. Da war sie.
    Heute ist Jinny Joe Day , dachte Aidan übermütig, und ich habe einen Wunsch frei!
    Er kroch über den schmalen Mauersims und pflückte die Pusteblume. Fasziniert betrachtete er die Jinny Joes, die flauschigen Flugschirmchen. Wenn man sie wegpustete, die Augen schloss und sich von ganzem Herzen etwas wünschte, ging dieser Wunsch in Erfüllung, hieß es.
    Natürlich war es albern! Aber er hob die flauschige Blüte an seine Lippen und pustete. Hunderte Löwenzahnsamen wirbelten im böigen Novemberwind, fingen das Licht der Sonne in ihren weißen Schirmchen ein und schwebten über den Hof hinweg wie Träume. Er setzte sich auf, warf einen Blick über die glitzernde Bay hinüber nach San Francisco, schloss seine Augen und bewahrte seinen Wunsch im Herzen.
    Alles haben sie mir genommen: meine Freiheit, meine Würde, meine Ehre! Leben will ich! Gefühle erleben, die mir als Mensch gelten! Sanft berührt werden. Fliegt, Jinny Joes, fliegt, so weit ihr könnt! Frei will ich sein!
    Aidan schwang sein Bein über die Mauer und sprang wieder hinunter in den Hof, um ausgelassen lachend die Jinny Joes zu fangen, die durch die Luft wirbelten. Keines durfte verloren gehen! Er hopste und sprang und fing sie ein, um sie von seiner offenen Hand noch einmal hinauf in den Himmel zu pusten. Der Wind trug sie davon. Mit seinem Wunsch im Herzen sah er ihnen nach.
    In diesem Augenblick, als er mit ausgebreiteten Armen umherhetzte, wurde die schwere Tür aufgestoßen, und Captain Myles betrat den Hof. Sein Gesicht wirkte ernst. »Sir?«
    Er ließ die Jinny Joes in seiner Hand fliegen. »Ich habe eine Viertelstunde! Es ist noch Zeit!«
    Peinlich berührt senkte der Captain den Blick. »Sir, es tut mir leid, aber …«
    Als er Aidan an der Schulter berührte, um ihn abzuführen, schlug dieser mit voller Wucht zu. Mit einem Aufschrei stürzte Captain Myles zu Boden. Mit geballten Fäusten stand Aidan über ihm, wild, kämpferisch

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