Im Herzen der Wildnis - Roman
und ungestüm.
Nicht meine Wünsche, nicht meine Träume!, dachte er. Die könnt ihr mir nicht wegnehmen!
Fünf Militärpolizisten stürmten in den Hof, um Captain Myles zu schützen. Sie packten Aidan an den Schultern und drängten ihn gegen die Backsteinmauer.
»Zurück! Lassen Sie ihn in Ruhe!« Captain Myles rappelte sich auf und kam zu ihm herüber. Er fegte sich den Staub von seiner Uniform. »Alles in Ordnung, Sir?«
Aidan nickte. Seine Ketten rasselten, als er sich aufrichtete.
»Sie haben Besuch, Sir. Ihre Schwester ist im Besuchsraum. Deshalb wollte ich Sie holen.«
Shannon war gekommen! Er atmete tief durch. »Tut mir leid, Captain.«
Der winkte ab. »Ich muss mich entschuldigen, Sir. Sie sind seit fünf Jahren eingesperrt. Sie werden nur dann berührt, wenn Ihnen die Ketten angelegt werden. Ich habe nicht bedacht, dass Sie sich bedroht fühlen könnten. Sie dachten, Sie würden angegriffen, und haben sich gewehrt. Mein Fehler.«
»Schon gut.«
»Sir, ich bringe Sie jetzt zu Mrs Conroy.«
Shannon erwartete ihn im Besuchsraum. Wie immer legte sie ihre Hand an das Gitter. »Hallo, großer Bruder.«
Aidan wischte seine Finger ab, die vom milchigen Saft der Pusteblume klebrig waren, und berührte ihre Hand. »Hallo, kleine Schwester. Wie schön, dich zu sehen.«
Shannons Blick fiel auf seine Fesseln. »Captain Myles, bitte nehmen Sie meinem Bruder die Ketten ab!«
Er nickte schneidig. »Ma’am.«
Erstaunt beobachtete Aidan, wie die Ketten fielen. Dann sah er Shannon an. Wie hatte sie das geschafft?
»Captain Myles, bitte öffnen Sie das Gitter!«
Quietschend wurde das Gitter aufgeschoben, und Shannon kam ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen, um ihn herzlich zu umarmen. »Aidan!«
Er schloss seine Arme um sie und lehnte sich gegen sie. Er konnte ihre Wärme, ihren Atem und ihren Herzschlag spüren. Die unbändige Freude riss ihn fast von den Füßen. »Shannon! Wie ist das möglich?«
»Du bist frei«, sagte sie und schwieg, um ihre Worte wirken zu lassen.
Und er begriff, was Shannon ihm da mitteilte: Heute war Jinny Joe Day, und alle Wünsche wurden wahr!
Aidan blickte in die strahlenden Gesichter um ihn herum und rang mit den Tränen. »Ich bin frei?«
Sie nickte, und ihre Augen funkelten dabei. Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen.
Fünf Jahre – und nun war es endlich so weit! Sie hatte das geschafft, sie allein!
Shannon drückte ihm einen Zettel in die Hand. »Lies!«
V ON : T HEODORE R OOSEVELT , P RESIDENT OF THE U NITED S TATES OF AMERICA , THE W HITE H OUSE , W ASHINGTON .
A N : S HANNON C ONROY , P RESIDENT OF C ONROY E NTERPRISES , S AN F RANCISCO .
14. O KTOBER 1903
S HANNON , ICH BEWUNDERE S IE FÜR I HRE E NTSCHLOSSENHEIT UND I HREN M UT ! S IE HATTEN RECHT , I HR B RUDER IST ZU UNRECHT AUF A LCATRAZ EINGEKERKERT . D AS U RTEIL WIRD IN WENIGEN W OCHEN REVIDIERT . +++ I M M AI BATEN SIE MICH HERAUSZUFINDEN , WER HINTER DIESER I NTRIGE GEGEN M AJOR T YRELL STECKT . E S TUT MIR LEID , DASS ICH ERST JETZT ANTWORTEN KANN . Z U MEINEM GROSSEN B EDAUERN UND MEINER NOCH GRÖSSEREN S CHAM MUSS ICH IHNEN MITTEILEN , DASS ES C AITLIN T YRELL WAR , D IE AUF MEINEN A MTSVORGÄNGER M C K INLEY EINGEWIRKT HATTE , I HREN B RUDER DERART ERBARMUNGSLOS VERURTEILEN ZU LASSEN . S HANNON , I CH BITTE S IE NOCH UM EINIGE W OCHEN G EDULD , BEVOR S IE MIT M AJOR T YRELL S PRECHEN . D IE VERANTWORTLICHEN IN W ASHINGTON UND S AN F RANCISCO , I N DER R EGIERUNG WIE IN DER A RMY , WERDEN ZUR R ECHENSCHAFT GEZOGEN . I HR B RUDER WIRD A LCATRAZ SCHON BALD IM R ANG EINES C OLONEL VERLASSEN . D AS IST DAS M INDESTE , WAS ICH JETZT FÜR IHN TUN KANN , U M SEINE E HRE WIEDERHERZUSTELLEN . F ÜNF J AHRE AUF DEM F ELSEN KANN ICH AUCH MIT EINER FORMELLEN E NTSCHULDIGUNG NICHT UNGESCHEHEN MACHEN . +++ M EINE G EDANKEN SIND BEI I HNEN UND I HREM B RUDER . T EDDY R OOSEVELT .
»Caitlin!« Aidan wusste nicht, was er empfinden sollte. Enttäuschung? Verbitterung? Wut? Hass? Oder Unglauben? Wie hatte sie ihm das antun können! »Caitlin?«
Shannon nickte mitfühlend. »Es tut mir so leid, Aidan.«
»Aber wieso?«, fragte er verzweifelt.
»Du solltest zum Schweigen gebracht werden.«
Aidan erinnerte sich an Shannons ersten Besuch vor fast vier Jahren. Sie hatten darüber gesprochen, warum er auf Alcatraz war: »An dem Tag, als du den Marschbefehl für die Philippinen erhalten hast, hast du um deinen Abschied nachgesucht«, hatte sie gesagt. »Diese Entscheidung hat dich deine Ehre als Offizier und
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