Im Herzen der Wildnis - Roman
seinen Gefühlen. »Wir stehen das gemeinsam durch. In Gedanken bin ich bei dir.«
Ihre Blicke begegneten sich nur kurz, dann wandte Shannon sich ab. Natürlich, sie wollte so schnell wie möglich nach Hause. Josh startete den Cadillac und legte die Kurbel hinter ihren Sitz. Als sie die Auffahrt hinunterfuhr, blickte er ihr nach, aber auf dem Weg zurück zu Rob sah sie sich nicht mehr um.
34
Was für ein kostbarer Augenblick! Rob legte den Kopf gegen die Lehne seines Rollstuhls, lauschte auf das Knistern und Knacken des Kaminfeuers und das Ticken der Uhr und schloss die Augen, um in der Abendstimmung innezuhalten. Der Plattenteller, auf dem eine Schellackplatte mit australischen Weihnachtsliedern lag, kam zum Stehen. Das Feuer wärmte ihn, als feierte er Weihnachten in der Sommerhitze von Lightning Ridge, und der Weihnachtsbaum, unter dem die Geschenke lagen, verströmte einen betörenden Duft. Der Raum war erfüllt von weihnachtlichen Gerüchen: heißes Bienenwachs, Zimtsterne, Walnüsse und Orangen.
In diesem Augenblick geht es mir gut, dachte Rob. Ich habe keine Schmerzen. Dieses wunderbare Gefühl der inneren Zufriedenheit, diese friedliche Einsamkeit, diese sanfte Stille – ist das Glück?
Leise wurde die Tür des Salons geöffnet. »Sir?«
Rob öffnete die Augen. »Mr Mulberry?«
»Er ist eben gekommen, Sir.«
»Josh?«, rief Rob, ohne sich zur Tür umzudrehen. »Komm doch herein!«
Josh blieb neben dem Rollstuhl stehen. »Hey.«
»Hey.« Rob deutete auf den Sessel vor dem geschmückten Kamin. »Setz dich zu mir. Cappuccino und Amaretto?«
Josh nickte dem Butler zu.
»Bleibst du zum Abendessen?«
»Nur wenn die Steaks vom Grill hopsen und du mich brauchst, um sie wieder einzufangen.«
»Das schaffe ich niemals ohne dich!« Rob lachte. »Mr Mulberry, wir hätten gern Kängurusteaks mit Bratkartoffeln. Dazu ein kaltes Bier.«
»Sehr wohl, Sir.«
Josh betrachtete die aufgehängten Stiefel aus rotem Samt, aus denen kleine Geschenke für ihren Sohn quollen. Der Kaminsims war mit Tannengrün, roten Schleifen und weißen Kerzen geschmückt. »Wirklich hübsch.«
»Das ganze Haus ist so stilvoll dekoriert … Shannon gibt sich sehr viel Mühe, ihre Angst vor Weihnachten zu überspielen … Ihr Dad starb an Weihnachten. Meiner auch.« Die Erinnerung an Tom versetzte Rob einen Stich ins Herz.
Josh setzte sich neben ihn in den Sessel. Sein Blick war sanft und warm. »Wie geht’s dir?«
»Ich habe gute und schlechte Tage. Heute ist ein guter Tag … Ich kann klar denken und ohne lange Pausen sprechen … Und mir ist bewusst, was ich alles verloren habe.«
Josh nickte langsam. »Ich wollte früher kommen …«
»Ich weiß.« Rob winkte ab. »Shannon und ich wollten dir das nicht zumuten. Du tust schon genug.«
»Ronan ist auch mein Sohn.«
Er lachte trocken. »Danke für das ›auch‹, Josh.«
Mr Mulberry kam und servierte die vorbereiteten Cappuccinos und Amarettos.
Josh schien zu spüren, dass Rob nicht so recht wusste, wie er dieses Gespräch beginnen sollte. Er hatte Josh vorhin angerufen und hergebeten, weil er mit ihm reden wollte, solange Shannon noch im Büro war. Sein Freund bedrängte ihn nicht, rührte mit dem Löffel im Milchschaum und schwieg.
Er umklammerte die Armlehne seines Rollstuhls. »Shannon und ich …« Nein, noch einmal von vorn! »Du kennst unseren Wunschbaum im Garten.«
Josh warf einen Blick durch die Fenstertüren. Hinter dem Eukalyptusbaum, an dem die Glaskugeln gehangen hatten, rauschte die Brandung.
»Und du kennst unsere Wünsche.« Als Josh nickte, sagte Rob: »Vor einigen Tagen haben Shannon und ich unseren Wunschbaum geplündert … Sie hat die Glaskugeln heruntergeholt, und wir haben sie gemeinsam geöffnet … Wir wollten uns unsere Wünsche erfüllen, bevor …« Rob zögerte kurz und wandte den Blick ab. »Bevor es zu spät ist.«
Josh versuchte, seine Bestürzung zu verbergen, und trank einen Schluck Amaretto.
»In den letzten Monaten haben Shannon und ich uns jeden unserer Wünsche erfüllt … Wir haben alles getan, was uns noch möglich war. Alles erlebt, alles genossen, alles ausgekostet.« Rob seufzte, als er sich an die schöne Zeit erinnerte, die sie einander geschenkt hatten. »Aber trotzdem bleiben noch Wünsche übrig, die wir beide uns nicht erfüllen konnten.«
Josh beobachtete, wie er nach den Glaskugeln auf dem Tischchen neben ihm tastete. Als Rob sie nicht erreichen konnte, sprang er auf, um sie ihm zu geben. Rob winkte ab. »Nimm du
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