Im Herzen der Wildnis - Roman
Augen. »Ma’am, Mr Conroy … Wir haben versucht, Sie in Carmel zu erreichen …«
Shannon glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Ein Gefühl von Kälte prickelte in ihren Gliedern. »Was ist mit meinem Mann?«
»Er hatte einen weiteren Schlaganfall.«
Musste denn jeder Augenblick des Glücks mit Leid bezahlt werden?
Shannon betrat das Haus. »Wie geht es ihm?«
»Dr McKenzie ist bei ihm. Mr Conroy hat offenbar eine schwere Blutung im Gehirn erlitten. Er liegt seit Stunden im Koma.« Der Butler senkte den Blick. »Es tut mir sehr leid.«
»Danke, Mr Mulberry.« Sie berührte dankbar seinen Arm, dann wandte sie sich ab, um nach oben zu gehen.
Alistair erwartete sie in ihrem Schlafzimmer. Er sprang aus dem Sessel neben dem Bett auf und umarmte sie. »Es tut mir so leid, Shannon.«
»Wo ist Ronan?«
»Evander bringt ihn gerade zu seinem Daddy. In den nächsten Tagen wird Josh sich um den Kleinen kümmern müssen.«
Sie nickte. Evander würde Josh berichten, was geschehen war. »Hat Ronan es mitangesehen?«
»Nein, er hat im Garten gespielt, als es passierte.«
Sie ging hinüber zum Bett. Rob lehnte in den Kissen, als schliefe er nur. Als öffnete er im nächsten Moment die Augen und lächelte sie an. Sie setzte sich neben ihn und nahm seine Hand. Dann erst sah sie das Foto, das neben ihm auf der Bettdecke lag. Hatte er es betrachtet, als es geschah? Hatte der Butler es aufgehoben und auf das Bett gelegt? Sie zog das Foto zu sich heran. Es zeigte Rob und sie am Ende ihres Brautwalzers in enger Umarmung beim Kuss. Sie erinnerte sich, dass das Foto unter der Schlagzeile L EIDENSCHAFTLICHE L IEBESHEIRAT auf einer Titelseite erschienen war. Die Bildunterschrift lautete: S HANNON O’H ARA T YRELL UND R OB C ONROY . E INE T EMPERAMENTVOLLE L IEBE , EINE GEFÜHLVOLLE A FFÄRE , EIN W UNDERVOLLER T RAUM VOM G LÜCK ZU D RITT .
Zu dritt!, dachte sie beschämt. Wir sind immer zu dritt gewesen. Ich habe in Joshs Armen gelegen, als Rob um sein Leben kämpfte. Ich war nicht bei ihm.
Sie sah Alistair an, der neben ihr stehen geblieben war. »Wird er wieder aufwachen?«
Der Doktor zögerte einen Augenblick. »Ganz ehrlich, Kindchen, ich weiß es nicht.« Er atmete tief durch. »Dein Mann ist ein Kämpfer. Aber wenn er den Weg zu dir zurück findet, wird nichts mehr so sein wie vorher.«
Sie hob die Augenbrauen.
»Es wäre besser, wenn er stirbt«, sagte Alistair leise. »Für ihn, für dich. Entschuldige, Shannon. Du weißt, wie ich das meine.«
Sie schloss die Augen und rang mit den Tränen. »Alistair, ich möchte, dass Rob bei mir bleibt …«
»Shannon, in einem Krankenhaus kann er besser versorgt werden.«
»… hier in diesem Bett, in dem wir vor langer Zeit einmal glücklich waren. In dem unser Sohn geboren wurde.«
Er gab nach, und sie begriff, dass er keine Hoffnung mehr hatte. »Wie du willst«, sagte er leise.
»Den Rest seines Lebens will ich ihm so schön wie möglich machen.«
Um sie herum war es still. Nur das Tosen der Brandung hüllte sie ein wie der Nebel, der so dicht war, dass sie den Masttopp ihres Bootes kaum erkennen konnte. Die Welt ohne Horizont bestand nur noch aus Nebel und Meer. Aus Schweigen. Und aus Trauer.
Shannon lehnte sich auf der Ruderbank zurück und stemmte ihre Beine gegen das Steuerrad. Mit geschlossenen Augen spürte sie das Wiegen des Bootes und lauschte auf das Rauschen der Wogen, die sich plätschernd über den Strand ergossen. Die Planken knarrten leise.
Der Brief lag neben ihr auf der Ruderbank. Shannon, my love stand in Robs Handschrift auf dem verschlossenen Umschlag.
Ein Abschiedsbrief? Hatte er geahnt, was geschehen würde? Hatte er gespürt, dass es mit ihm zu Ende ging?
Die fünf Jahre mit Rob waren der aufregendste, aber auch der schmerzhafteste Teil ihres Lebens gewesen. Wenn sie zurückblickte, erinnerte sie sich an vieles, was sie gern noch einmal erlebt hätte. Nicht, weil sie es besser machen wollte oder weil sie Schicksalsschläge mit einem Lächeln statt mit Tränen ertragen wollte. Sondern weil sie die Gefühle, die ihr gemeinsames Leben ausmachten, gern noch einmal erleben würde.
Doch, etwas würde sie anders machen. Sie würde Rob nicht verlassen, um mit Josh nach Carmel zu fahren. Sie würde ihn nie mehr allein lassen. Sie war seine Frau, und er war ihr Mann. Sie hatte sich in ihn verliebt, und in den Jahren ihrer Ehe war diese Liebe immer tiefer geworden. Wie oft hatten sie von vorn angefangen! Fest zusammengefügt wie zwei Puzzleteilchen, die nur
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