Im Herzen der Wildnis - Roman
verbringen und seine Hand halten. Ich werde mit ihm reden und keine Antwort erhalten. Ich werde auf Atemzüge und Herzschläge lauschen. Und auf das Piepsen eines Gerätes. Ich habe schreckliche Angst vor Weihnachten. Ich fürchte mich davor, mich in den Schlaf zu weinen. Ich habe Angst vor dem Schmerz, vor der Traurigkeit, vor dem Sterben.
Sie hatte solche Angst, dass sie eine Panikattacke bekam. Ihr Herz raste, und sie kämpfte schon wieder mit den Tränen. Sie atmete tief durch und schluckte trocken, damit Rob ihrer Stimme nicht anmerkte, wie nahe ihr das alles ging.
Sie legte die Fotos weg. »Hey, es ist Zeit für deine Übungen.«
Rob zu berühren, empfand sie als schön. Seine Zehen zu bewegen, seine Füße sanft zu massieren und seine Beine gegen ihre Hüften zu stemmen, um die Muskeln und Gelenke zu trainieren.
»Wie fühlt sich das an?«
Natürlich antwortete er nicht. Aber sie wusste, er genoss die Berührungen sehr. Denn sein Herzschlag beruhigte sich, und seine Atemzüge wurden tiefer.
Shannon deckte ihn wieder zu und nahm seinen linken Arm. Sie massierte jeden Finger und spielte dabei mit seinem Ehering. Dann massierte sie den Arm, ohne die Kanüle für den Tropf in seiner Vene zu berühren. »Du fehlst mir so.«
Ich vermisse dich auch. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr.
Natürlich sagte er das nicht. Aber sie wünschte, er würde lächeln.
»Ich liebe dich, Rob.«
Ich dich auch, Shannon.
Das Piepsen beschleunigte sich. Sein Herz klopfte schneller.
»Bitte komm zurück zu mir.«
Ich versuche es.
Im ersten Augenblick glaubte Shannon, seine Hand hätte sich bewegt. Sie wartete gespannt, aber da war nichts. Er lag regungslos. Sie wünschte, er würde sie berühren. Ihr Gesicht streicheln. Sie in die Arme nehmen und küssen. Ihr sagen, was in ihm vorging.
»Gib nicht auf, mein Liebster.«
Sie beugte sich über ihn und küsste ihn. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, dass er die Augen geöffnet hatte.
Das Elektrokardiogramm piepste jetzt ganz aufgeregt.
Rob sah sie an.
Sie konnte es kaum glauben. War er wirklich wach?
»Rob!«
Shannon!
Tränen schimmerten in seinen Augen, und sein Atem ging plötzlich schwer.
»Kannst du mich sehen? Oder hören? Dann blinzele!«
Seine Augen waren weit offen, und sein Blick blieb auf sie gerichtet. Das Piepsen nahm beständig zu. Sein Puls raste jetzt.
»Ich freue mich auch.« Ihre Stimme versagte fast, so gerührt war sie. Sie hielt die Hand mit seinem Ehering fest. »Ich liebe dich, Rob. Ich liebe dich so sehr.«
In diesem Augenblick hörte das Piepsen abrupt auf, und es wurde still im Raum. Robs Gesicht entspannte sich, und seine Augen wurden matt.
Shannon hielt den Atem an, damit sie nicht verzweifelt aufschluchzte. Jeder Herzschlag war schmerzhafter als der vorige. Die Trauer zerriss ihr das Herz, und sie zitterte am ganzen Körper. Ihre Hände, die seine hielten, fühlten sich kalt und taub an.
Hatte Rob noch gehört, was sie gesagt hatte? Hatte er das Einzige, was ihm am Ende noch geblieben war, mitgenommen?
Ihre Liebe bis in den Tod.
Shannon saß allein am Strand und starrte aufs Meer hinaus.
Mit der Wolldecke über dem Arm und der Kaffeetasse in der Hand stapfte Josh durch den lockeren Sand zu ihr hinüber. Als er näher kam, sah er, was sie mit den Armen über den angezogenen Knien anstarrte: Der Bootssteg führte in den dichten Nebel, das Ende war nicht zu erkennen. Ihr Boot am Ende des Stegs war nicht einmal zu erahnen.
Langsam trat Josh zu ihr und gab ihr die Kaffeetasse. Sie trug Jeans und Pullover und fror ganz sicher in der kalten Dezemberluft. Josh hängte ihr die Decke um und setzte sich neben sie in den Sand.
Zwischen ihren angewinkelten Beinen stand eine Schublade voller Erinnerungen. Fotos, Briefe und Souvenirs von ihren Reisen mit Rob. Shannon hatte sie gerade durchgesehen.
Neben ihr im Sand lag ein Brief. Shannon, my love. Hatte Rob ihr einen Abschiedsbrief geschrieben?
Shannons Bewegungen waren langsam und bedächtig. Sie zog die Knie an und trank einen Schluck aus der Kaffeetasse. »Danke.« Ihre Stimme war kaum lauter als ein heiseres Flüstern. Ihre Augen waren rot gerändert, der Lidstrich verwischt. Letzte Nacht hatte sie an Robs Bett verbracht – das hatte Evander ihm vorhin erzählt. Sie hatte seitdem nicht geschlafen. Jetzt war sie völlig erschöpft. Und ganz verkrampft, weil sie versuchte, ihre Gefühle zu beherrschen, um nicht zusammenzubrechen.
Wie gern würde ich sie in den Arm nehmen, um sie zu
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