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Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah Sanders
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seine Fingerspitzen. »Was ist passiert?«
    »Ich war dagegen, dass Kuba oder die Philippinen amerikanische Kolonien werden sollten. Oder dass die USA, wie Eoghans Parteifreunde fordern, zur beherrschenden Weltmacht werden sollten. Aber die Flagge war gehisst, die Hymne angestimmt und die Kriegsmaschinerie mit lautem Säbelgerassel und quietschenden Geschützlafetten unaufhaltsam in Gang gekommen.«
    »Es ist sehr schwer, sich dem entgegenzustellen, aber du hast es getan, Aidan. Du hast den amerikanischen Präsidenten an die Unabhängigkeitserklärung und ihre Prinzipien erinnert, dass rechtmäßige Macht nur aus der Zustimmung der Regierten abgeleitet werden kann. Du hast gegen Caitlin rebelliert. Und du hast Dad getrotzt, bis ihr beide euch zerstritten habt. Du bist für deine Ideale eingetreten, für deinen Glauben, für dein Gewissen. Wieso glaubst du, ich könnte dich für feige halten?«
    »Entschuldige, Shannon, ich bin nur …«
    »Schon gut.«
    Er wünschte sich so sehr, dass sie ihn verstand. »Der amerikanische Imperialismus und die Ausdehnung unserer Herrschaft auf andere Völker ist für mich eine Entweihung der Ideale unserer Nation, des Landes der Freien und der Heimat der Tapferen. Eines Staates also, der mir eine Freiheit gewährt, die ich sonst nirgendwo auf der Welt habe und die die Hurra-wir-haben-Krieg-Patrioten mit fünfundsiebzigtausend Mann auf den Philippinen gründlich in den Staub getreten haben«, sagte Aidan voller Überzeugung, und zu diesen Patrioten zählte er auch den Draufgänger der Nation, den designierten Vizepräsidenten Teddy Roosevelt, unter dessen Kommando Rory auf Kuba gefallen war.
    »Der amerikanische Traum besteht für mich nicht nur darin, dass Caitlin durch harte Arbeit und unnachgiebige Willenskraft in Kalifornien vollbracht hat, was sie in Irland nie geschafft hätte: mit keinem Cent in der Tasche zu einer der reichsten Frauen der Welt zu werden. Er besteht für mich auch in den Prinzipien der Unabhängigkeitserklärung, der Suche nach Freiheit und dem Streben nach Glück. Dieser Traum von Amerika, wie es einst erschaffen wurde, dieser Traum, an den ich glaube, darf nicht einfach irgendwelchen Machtinteressen geopfert werden! Auch wenn es die meiner eigenen Familie sind!«
    Shannon schmunzelte. »Tolle Rede! Du solltest für den Senat kandidieren, nicht Eoghan.«
    »Leitest du meinen Wahlkampf? Wenn ich Präsident werde, mache ich dich zu meiner Vizepräsidentin.«
    »Dazu müsstest du die Verfassung ändern und das Wahlrecht für Frauen einführen. Wie soll ich dich sonst wählen?«
    Aidan war ihr dankbar, dass sie die Spannung aus dem Gespräch genommen hatte.
    Shannon musterte ihn aufmerksam. »Geht es dir jetzt besser?«
    Er schob seine Fingerspitzen durch das Gitter und berührte ihre Hand. »Ich bin froh, dass du gekommen bist.«
    »Ich auch«, gestand sie. »Ehrlich gesagt, hatte ich Angst, weil ich nicht wusste, wie du reagieren würdest. Als wir Kinder waren …« Sie stockte und wirkte plötzlich verlegen.
    »Was?«
    Beschämt senkte sie den Blick. »Ach, nichts.«
    »Sag schon!«
    »Als wir Kinder waren, hatten wir … kein gutes Verhältnis.«
    Aidan nickte. Mit keinem seiner Geschwister oder Cousins hatte er ein freundschaftliches Verhältnis. Mit seinem älteren Bruder hatte er sich immer wieder geprügelt, wobei Colin stets gewonnen hatte, ebenso wie bei Fahrradrennen durch den Presidio Forest oder bei dem Bootsrennen durch die Bay. Colin hatte sein Boot gerammt und versenkt, und Aidan wäre beinahe ertrunken und musste mit fünfundzwanzig Stichen genäht werden. Der Druck ihres Vaters, das Leben als fortwährenden Kampf zu betrachten, sich stets zu messen und zu bewähren, hatte die Rivalität in der Familie geschürt. Aidan spitzte die Lippen. »Ich war ein grässlicher großer Bruder, nicht wahr?«
    Sie schmunzelte. »Du warst furchtbar, einfach unausstehlich. Und deine dummen Sprüche! Wie ich die gehasst habe!«
    »Autsch«, sagte Aidan.
    Er erinnerte sich noch an sein flottes Sprüchlein, mit dem er Shannon an Bord gezogen hatte, nachdem Colin und er sie ausgelassen lachend vom Boot ins Wasser geschubst hatten. »Weißt du, was noch schlimmer ist als zwei ältere Brüder?«, hatte er gefragt, als wollte er sie trösten. Doch dann sagte er wie im Scherz: »Eine kleine Schwester.« Damit hatte er sie sehr verletzt, aber sie hatte nicht geweint, nicht an jenem Tag und an keinem anderen, egal wie hart sie zuschlugen, egal wie verletzend ihre Sprüche

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