Im Herzen der Wildnis - Roman
reicht!«
»Du gehst zu weit!«, stutzte Caitlin sie forsch zurecht.
Eoghan wollte eingreifen, doch Shannon hob resolut die Hand.
»Du wirst ihn nicht wiedersehen, ich verbiete es dir! Du wirst ihm schreiben, dass du ihn verlässt! Du wirst Rob heiraten!«
»Ma’am, Sie haben kein Recht …«
»Ich habe jedes Recht, Shannon! Du trägst eine Verantwortung gegenüber der Familie und dem Unternehmen. Und du hast eine Verpflichtung mir gegenüber. Oder ist es Anmaßung von mir, zu glauben, ich hätte dir in den vergangenen fast dreißig Jahren genug gegeben, um deinen Respekt und deinen Dank zu verdienen? Eine glückliche Kindheit. Ein Heim. Eine Familie. Ein sorgenfreies Leben im Wohlstand. Du hast alles, was man sich nur wünschen kann. Deine Diamanten, Perlen und Saphire, deine Pferde, dein Boot, dein Treuhandvermögen. Wieso ist das nicht genug? Sag es mir! Wieso ist Rob Conroy nicht gut genug für dich? Du gibst nie etwas zurück, Shannon, du nimmst immer nur. Du denkst immer nur an dich. Du bist so unglaublich selbstsüchtig!«
»Ich bin selbstsüchtig?«
»Ma’am, Shannon hat Aidan und Skip …«, griff Eoghan ein, doch Caitlin brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
»Und unvernünftig!«, übertönte sie Shannon noch. »Diese Affäre kann dein Leben ruinieren! Du wirst sie beenden, bevor es zu spät ist! Du wirst mir gehorchen, Shannon! Wie alle anderen wirst du dem Unternehmen dienen.«
»Im Vorstand?«
»Im Bett! Du wirst Rob heiraten!«
»Wie vereinbaren Sie eine solche Ehe mit Ihrer hohen Moral? Ich kann es nicht! Das ist Prostitution! Wie viel kann ich verlangen, Ma’am? Eine Million pro Nacht?«
»Shannon!«
»Und wenn ich Rob einen Erben schenke?«, fragte sie verbittert. »Ein Bonus von zehn Millionen? Vielleicht sollte ich mit Tom vereinbaren, dass das in den Ehevertrag aufgenommen wird. Wenn der Preis stimmt, garantiere ich Rob ein gefühlvoll gehauchtes ›Du warst toll, willst du nochmal?‹ pro Nacht.«
»Shannon, um Gottes willen!«, flüsterte Eoghan bestürzt.
»Halt dich da raus!«, ermahnte Shannon ihren Cousin. »Hier geht’s ums Geschäft, Eoghan, nicht um Sentimentalitäten wie Liebe, Würde oder Selbstachtung. Hier geht es um den Marktwert einer Ware, die verkauft werden soll.« Mit jedem Wort wurde sie aufgebrachter und lauter.
Caitlin schnaubte erbost. »Du bist leidenschaftlich, resolut und aufsässig. Aber der harte Kerl aus dem Outback wird dich schon zähmen und dein ungestümes Temperament bändigen.«
»Wenn er mich überhaupt will.«
»Er wird dich wollen, Shannon. Tom wird ihn sonst enterben.«
Es war alles gesagt. Shannon wandte sich zur Tür.
»Du gehst, wenn ich es dir sage!«, rief Caitlin wütend hinter ihr her. »Wohin willst du?«
Sie blieb nicht stehen.
Ich will zu dem Mann zurückkehren, den ich liebe, dachte sie. Und vor dem ich wegen Rob schon zum zweiten Mal weggelaufen bin, wie damals in der Lobby des Palace Hotels. Ich will Jay sagen, wie leid es mir tut, dass ich ihn derart verletzt habe. Dass ich ihn heiraten will. Dass wir beide ein Kind erwarten. Und dass er von nun an meine ganze Familie ist.
Als Josh am frühen Morgen aufgewacht war, hatte das Bett noch nach den Rosenblüten geduftet. Während der Nacht hatte er sich auf ihre Seite des Bettes gelegt, hatte das Kissen umarmt und war erst nach Stunden eingeschlafen.
Nachdem er geduscht und gefrühstückt hatte, räumte Josh Ians Haus auf, holte noch einige Bücher und Liszts Les Préludes aus dem Regal und packte seine Sachen in die Tasche. Dann setzte er sich an den Tisch und schrieb ihr einige Zeilen auf die Papierhülle einer Schellackplatte.
Traurig erinnerte er sich an alles, was sie miteinander geteilt hatten, und rieb sich die Augen. Dabei hatte er sich vorgenommen, stark zu sein und sich auf die Freiheit in Alaska zu freuen. Aber er lauschte auf die Geräusche im Haus, die nun verstummt waren. Verhallt war ihr Lachen, verstummt war das leise Tuscheln zweier Liebender, verschwunden war der Klang ihrer Schritte, wenn sie zu ihm kam, um ihn in die Arme zu nehmen. Er warf einen Blick auf die Schellackplatte. Auch die Musik war verklungen. Wie gern hätte er sie zum Abschied umarmt und geküsst. Und während er seinen Brief schrieb, hoffte er, sie würde zurückkommen und sich in seine Arme werfen.
Aber sie kam nicht.
Josh schrieb die letzten Zeilen und legte den Brief dorthin, wo sie ihn irgendwann finden würde. Anschließend schulterte er die Tasche, verließ Ians Haus und
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