Im Herzen der Zorn (German Edition)
sie durchatmete und den Mund aufmachte – Wer war er? Was ist ihm zugestoßen? Warum wart ihr genau … in dem Moment da, als hättet ihr nach mir gesucht, oder nach ihm? –, merkte sie, dass sie noch immer zu schockiert und aufgewühlt war, um zu sprechen. Ihre Nase lief, ihre Augen brannten. Weniger noch als den Anblick der Leiche konnte sie vergessen, wie sie sich anfühlte. Wie es sich angefühlt hatte, mit dem Stiefel gegen menschliches Fleisch und Blut zu stoßen. Sie versuchte, sich zu konzentrieren. Einen Fuß vor den anderen zu setzen.
»Ihr braucht mich nicht zu fahren, Mädels«, sagte sie, als sie am Auto ankamen. »Ihr habt ja gesehen, dass ich das Fahrrad meiner Tante dabeihabe.« In Wahrheit wollte sie auf keinen Fall mit den Mädchen ins Auto steigen. Sie machten ihr Angst.
»Sei doch vernünftig«, erwiderte Meg honigsüß. »Du stehst unter Schock. Dein Rad holen wir morgen.«
Skylar fehlte die Kraft für weitere Diskussionen. Sie gab nach. Doch kaum saßen sie alle vier im Auto, Ali am Steuer, Ty vorne und Meg und Skylar hinten, versuchte sie, wieder zu sprechen. Woher wusstet ihr, dass ich im Wald war?, wollte sie fragen. Doch gerade, als sie kurz davor war, die Frage zu formulieren, drehte Ty sich um. Selbst mit ihren dunklen Haaren und der blassen Haut schien sie zu leuchten.
»Übrigens, hier«, sagte sie und streckte die Hand nach hinten. In ihren schlanken Fingern hielt sie die Orchidee. Die blutrote Blüte, die Skylar an den Rand des Teichs gelockt hatte.
Skylar schreckte davor zurück, als stünde sie in Flammen. »Warum … warum gibst du mir die?« Sie traf Alis Blick im Rückspiegel. Ihr Mund war wie immer zu einem perfekten blutroten Grinsen geschminkt.
Sie sah verunsichert zu Meg hinüber, hoffte auf beruhigende Worte und ein paar Antworten. Stattdessen bekam sie nur den schiefen vogelartigen Blick zu sehen, der sich langsam zu Megs Markenzeichen entwickelte.
Ty beugte sich zu ihr und benutzte die Blütenblätter, um Skylar aufs Knie zu tippen. Es war nur eine ganz leichte Berührung, doch sie fühlte sich an wie ein Messerschnitt. »Du hast sie im Wald fallen lassen!«, sagte sie und zog einen Schmollmund. »Ich dachte, du wolltest sie haben!«
»Will ich nicht«, antwortete Skylar entschieden.
Sie näherten sich Tante Noras Haus. Gott sei Dank. Skylar konnte es kaum erwarten, aus dem Auto zu kommen. Wie konnten die Mädchen nur so locker bleiben? Sie hatten gerade eine Leiche gefunden, verdammt noch mal! Und was hatte es bloß mit dieser dämlichen Orchidee auf sich?
Skylar wusste nichts über Meg und ihre Cousinen. Aber eins wusste sie genau: Irgendetwas stimmte mit ihnen eindeutig nicht.
Als sie vor Noras Haus anhielten, hatte sie schon die Hand am Türgriff, bereit, aus dem Wagen zu springen. Sie bedankte sich eilig und lief auf den Gartenweg zu. Da kurbelte Ty ihr Fenster herunter.
»A bientôt, escargot!«, rief sie und winkte.
Eine eisige Welle rollte über Skylar hinweg. In ihrem ganzen Leben hatte sie bisher nur einen einzigen Menschen diesen Ausdruck benutzen hören: Emily Winters.
Kapitel 19
Ohmeingott. JD wollte reden. Mit ihr. Mit seiner liebeskranken früheren besten Freundin, der er seit Monaten aus dem Weg gegangen war. Am Donnerstagnachmittag hatte er eine SMS geschrieben: Wir sollten uns treffen. Ems Herz wäre fast explodiert.
Mehr war also nicht nötig , dachte sie trocken. Junge beobachtet Mädchen bei versuchtem Opferritual auf Friedhof, Junge verliebt sich wieder. Warum bin ich nicht früher darauf gekommen?
Also steckte sie am Donnerstagabend gegen acht nach einem ermüdenden Abendessen mit ihren Eltern ihre Haare zu einem lockeren Knoten, zog sich ihre dicken Stiefel über die Jogginghose und marschierte hinüber zur Fount’schen Haustür.
Eins stand fest: Wenn sie ihre Beziehung mit JD retten wollte, dann war es höchste Zeit zu reden. Vielleicht konnte sie ihm nicht die ganze Wahrheit sagen, aber Em war fest entschlossen, ihn dazu zu bringen, dass er verstand … wenigstens etwas. Ob es nun nötig war, die Vergangenheit zu begraben oder einen Teil der Gegenwart zu erklären oder um die Wahrheit herumzureden, Em würde die Sache wieder in Ordnung bringen.
Sie klopfte. Sofort war ein Teil ihrer Selbstsicherheit verflogen. Als sie das letzte Mal dort gestanden hatte, hatte sie Drea angeschrien. Und das letzte Mal, als sie JD gesehen hatte, war sie gerade dabei gewesen, auf dem Friedhof Hexerei zu betreiben. Aber er hatte zu niemandem
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