Im Herzen der Zorn (German Edition)
Gewissheit und die Gewissheit gab ihr Kraft. Nach und nach gewann sie die Oberhand über Ty, die sich unter ihr drehte und wand.
Dann hatte Em sie endgültig zu Boden gedrückt. Sie grub ein Knie in Tys knochige Brust, hielt ihre Handgelenke in der einen Hand und drückte sie auf den gefrorenen Boden.
Die andere Hand legte sie um Tys langen, schlanken Hals – der so sehr ihrem eigenen glich – und drückte zu.
Genau wie einige Monate zuvor beim Shopping-Monster begann Ty, hin- und herzuflackern wie das Bild eines alten Fernsehers. Doch sie schien weder Schmerzen zu spüren noch rang sie nach Atem, wie fest Em ihr auch auf die Luftröhre drückte. Und dann spürte Em es – wie ihre Umklammerung von Tys Handgelenken schwächer wurde, die Kräfte sich umkehrten, dann Tys Fingernägel, die sich in ihren Arm gruben, ihre Haut durchtrennten, in sie hineinschnitten.
»Scheiße«, sagte Em und zog sich keuchend zurück. Ihr Arm brannte und an der Stelle, wo Ty sie verletzt hatte, quollen kleine Tropfen Blut hervor.
»Sieh bloß nicht nach unten, Em«, sagte Ty höhnisch.
Aber Em tat es natürlich doch. Sofort kehrte das Schwindelgefühl zurück, zugleich sackte ihr Magen nach unten und sie kam sich vor wie in luftleerem Raum. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was los war. Sie und Ty schwebten ungefähr einen Meter über dem Boden.
Em wich zurück, brach damit den Zauber und sauste voller Wucht in den Dreck. Ty landete eleganter und lachte. »Das hat Spaß gemacht, nicht wahr?«, spottete sie.
Em war unfähig zu antworten. Nach dem plötzlichen Aufprall war ihr komplett die Luft weggeblieben.
Ty sprach weiter: »Siehst du? Wir sind gar nicht so verschieden, du und ich. Ich erkenne das, auch wenn Ali und Meg es nicht tun. Auch wenn du es nicht tust. Wir beide, wir machen alles, um zu bekommen, was wir wollen. Wir sind gar nicht so verschieden«, wiederholte Ty noch einmal. Und dann verschwand sie, einfach so.
Em stemmte sich auf die Füße, kauerte sich hin und zog vorsichtig den linken – den verletzten – Arm an ihren Körper. Als sie sich aufrichtete, um zu Atem zu kommen, erschien Drea oben auf der Treppe.
»Da bist du ja«, sagte sie. Und dann, als sie näher kam: »Oh mein Gott! Was ist passiert?«
»Sie … sie waren hier«, brachte Em krächzend hervor. »Ty war hier. Ich hab sie getroffen.«
Drea nickte finster. »Ich hab auch eine von ihnen gesehen. Die mit dem roten Band um den Hals.« Drea musterte Em voller Sorge. »Welche von ihnen hat dir das angetan? Ich hoffe, du konntest ihr wenigstens auch ordentlich eine verpassen.«
»Ich glaub nicht, dass ich allzu viel ausrichten konnte«, antwortete Em matt. »Es war Ty. Was ist mit dir? Hast du mit ihr gesprochen? Hat sie irgendwas gesagt?« Auf dem Weg zum Wagen hielt Em sich hinter Drea. Alle paar Schritte blickte sie zwanghaft über die Schulter, als könnte Ty dort jeden Moment Gestalt annehmen.
Sie stiegen ins Auto, beide peinlich darauf bedacht, die Tür hinter sich zuzumachen und zu verriegeln. »Sie hat mich gefragt, ob ich zum Frühlingsfest gehe«, sagte Drea mit einem nervösen Lachen. »Ob ich mit jemandem verabredet wäre. Dann …« Sie brach ab, pulte sich an den Fingernägeln und warf Em einen Seitenblick zu.
»Was? Was hat sie gesagt, Drea?«, bohrte Em.
»Sie sagte, sie hätten etwas ganz Besonderes mit dir vor, Em. Und dass ich auf dich aufpassen soll.« Drea sah ihre Freundin jetzt direkt an, betrachtete prüfend ihr Gesicht, so als versuchte sie, ihre Reaktion einzuschätzen.
»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Em. Die Zeit, sich einen brauchbaren Plan auszudenken, wurde immer knapper.
Drea schüttelte den Kopf und ließ den Wagen an. »Ich weiß es nicht, Em. Ich glaube … ich glaube, die Lage ist ernster, als wir dachten. Ich denke, das Verbannungsritual sollte so bald wie möglich stattfinden. Ich glaube, es ist … ich glaube, du …« Sie beendete ihren Gedanken nicht und Furcht senkte sich zwischen die beiden wie ein Felsblock. Em zog kurz in Erwägung, Drea jetzt von Sashas Verbindung zu den Furien zu erzählen.
Sie fuhren schweigend nach Hause.
Als sie in Ems Einfahrt ankamen, begann Drea, an ihrem Schlangenanstecker herumzuspielen, sagte aber immer noch nichts. Em fing an, ihre Sachen zusammenzusuchen. »Seltsam«, sagte sie plötzlich. Ihr Arm blutete gar nicht mehr. Tatsächlich waren die Verletzungen so gut wie verheilt.
»Was?«, fragte Drea.
»Ich … es ist bloß, ich hätte schwören
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