Im Herzen des Kometen
überhören.
Virginia ignorierte ihn.
Dann werden wir niemals in die Heimat zurückkehren, dachte sie zu Ende, was sie hatte aussprechen wollen.
»Nun, Fidel«, sagte Dr. Oakes zu dem Major, »ich bin sicher, Fräulein Herbert versteht, wie wichtig es ist, bestimmte stillschweigende Folgerungen, die sich aus unseren bevorstehenden Entscheidungen ergeben, mit Diskretion zu behandeln. Die Moral läßt ohnedies zu wünschen übrig.«
»Das will ich meinen«, bekräftigte Okudo. »Wie ich höre, simulieren einige Besatzungsmitglieder Krankheitszustände oder versuchen mit anderen Drückebergereien in die Kühlfächer zu kommen.«
Das hatte Virginia nicht gewußt. In ihrem Magen entstand ein unbehaglicher Druck. Kapitän Cruz, des war sie sicher, wäre offener mit ihnen gewesen. Und niemand hätte auch nur daran gedacht, ihn durch Drückebergerei im Stich zu lassen.
Bethany Oakes betrachtete nachdenklich die holographische Projektion, was Virginia die Gelegenheit gab, selbst einen genaueren Blick auf die große Darstellung zu werfen.
Die von Schächten und Stollen durchsetzte Region war nicht größer, als sie vor einem Monat gewesen war, und nahm noch immer weniger als fünf Prozent vom Gesamtvolumen des Kometenkerns ein, in einem Labyrinth, das sich im nördlichen Polarbereich konzentrierte. Ein paar große Höhlenräume fielen auf, die drei Kühlfachkomplexe und die Höhle dieses Zentralkomplexes inmitten einer Zusammenballung von kleineren Räumen, ungefähr einen Kilometer unter der festgezurrt auf dem polaren Eis ruhenden Edmund Halley.
Glücklicherweise waren die meisten Wasserkulturen und Pflanzgärten noch an Bord des Mutterschiffes, sicher vor den einheimischen Lebensformen, die sie unabsichtlich hier unten geweckt hatten. Gelangten diese jemals in die Obstkulturen und Gemüsegärten, so würden alle Expeditionsteilnehmer wahrscheinlich binnen kurzem an Mangelkrankheiten sterben. Jeder war sich dessen bewußt, und für den Zugang galten die schärfsten Sicherheitsbestimmungen.
Nach Lage der Dinge mußte ohnehin schon in naher Zukunft mit Rationskürzungen gerechnet werden, wenn der nicht vorhergesehene hohe Personalbedarf der gegenwärtigen Phase nicht bald wieder reduziert werden konnte.
Fast alle dargestellten Stollen und Schächte waren durch Farbmarkierungen gekennzeichnet, die oftmals von einem Abschnitt zum anderen variierten; die Farben standen für verschiedene Arten von Befall. Nur die vier großen Kavernen leuchteten noch in keimfreiem Weiß, ebenso wie ein Verbindungsschacht zu den Lagerplätzen am Nordpol. Und um diese vergleichsweise kleinen Bereiche freizuhalten, waren alle Ultraviolettlampen und die Hälfte des für achtzig Jahre bemessenen Vorrats an Desinfektionsmitteln erforderlich gewesen.
Die meisten Stollen glommen in einer grünen Färbung, wo der einzige auffallende Eindringling die flechtenartige Alge war, die allgemein ›grüner Schleim‹ oder ›Moos‹ genannt wurde.
Diese Stollen enthielten noch Luft und Wärme. Soweit man urteilen konnte, mochten sie sogar völlig sicher sein. Saul jedenfalls vertrat diese Ansicht. Mehr als einmal war er dort gewesen, ungeachtet möglicher Gefahren, und hatte Proben für seine Untersuchungen gesammelt.
Vielleicht war das eine der Eigenschaften, die Virginia anzogen. Saul war nicht mutig in einer auffallenden, sich in den Vordergrund stellenden Art, sondern mit einer ruhigen Selbstverständlichkeit, die zu sagen schien, daß schon das Leben von Tag zu Tag immer ein kalkuliertes Risiko gewesen sei.
Vielleicht kam noch ein anderer Faktor hinzu: Saul erinnerte sie an ihren Vater. Anson Herbert war auch ein Mann von dieser traurigen, freundlichen Weisheit gewesen, der sie in seiner stillen Stärke mehr gelehrt hatte als andere Männer, die es verstanden, sich mit robustem Selbstbewußtsein in Szene zu setzen.
Ihr Vater war seit zwei Jahren tot, aber in ihrer Erinnerung lebte er fort, und fast konnte sie ihn sagen hören, sie solle sich nicht in Tagträumereien verlieren, sondern tun, was getan werden müsse. Probleme seien zu lösen, und immer gäbe es Leute, die glaubten, eine Uhr mit dem Hammer richten zu können.
Lopez wies auf die Stollen, deren Farben auf die stärkste Verseuchung schließen ließen, insbesondere entlang den Rohrleitungen, durch die Wärme von der Kraftanlage zu den Aggregaten der Warmluftheizung strömte. Purpurne, gelbe und rote Färbungen zeigten, wo die aktiveren Lebensformen eingedrungen waren,
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