Im Herzen des Kometen
nachzukommen brauchte. Sie ging ziellos weiter, geblendet von Tränen, nur die Macht der Gewohnheit hielt sie auf dem gewohnten Kurs.
2
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CARL
Die Lage verschlechterte sich.
Carl trieb an einer Halteleine und wartete auf Saul Lintz. Er war froh über die Verschnaufpause.
In den letzten Tagen hatte er gelernt, seine Ruhepausen zu nehmen, wann und wo er sie finden konnte, in kurzen Nickerchen und Essenspausen, in jedem Augenblick erzwungener Untätigkeit, wenn er die Muskeln entspannen und in seiner Aufmerksamkeit nachlassen konnte. Für die meisten Arbeiten lohnte es aus Zeitgründen nicht, Maschinen anzufordern und einzusetzen, und eine Menge von dem, was getan werden mußte, konnten sie sowieso nicht.
Gute alte Knochenarbeit, dachte er. Bloß ist es anders, wenn das Leben davon abhängt.
In gewisser Weise war er heilfroh, daß er nicht mehr die technische Leitung hatte. Major Lopez, der aus seinem Mißtrauen gegenüber jedem Percell kaum einen Hehl machte, hatte die Verantwortung und alle Kopfschmerzen, die damit einhergingen. Recht so! Laß ihn schwitzen!
Es gab nicht genug Arbeitskräfte, um die Verbreitung der grünen Schleimalgen einzudämmen, von den größeren Lebensformen ganz zu schweigen. Bethany Oakes ließ mehr und mehr Leute wiedererwecken, um die personellen Engpässe zu überwinden, aber das erforderte Zeit. Er hatte gehört, daß im Zentralkomplex auch nicht alles zum Besten stand. Manche der Wiedererweckten waren zornig über die vorzeitige Reaktivierung, und die meisten fürchteten Ansteckung durch die unbekannten Krankheiten, die schon das Ausmaß einer Seuche angenommen hatten.
Er konnte die Leute gut verstehen. In seiner Gruppe hatte er einen neuen Mann, einen stämmigen Norweger namens Veerlan. Der Mann war erst seit fünfunddreißig Stunden draußen, kaum kräftig genug, Schwerarbeit zu leisten, und schon fing er an zu schnupfen und zu husten.
»Ist die Gruppe bereit?« fragte Sauls Stimme aus den Kopfhörern. Gleich darauf erschien Saul mit steifen Bewegungen aus einer Nebelwand und hakte seine Halteleine ein.
»Ja. Von Gruppe kann man allerdings kaum sprechen.«
»Wie viele?« Saul wirkte hellwach und im Vollbesitz seiner Kräfte, obwohl tiefe Furchen sein müdes Gesicht durchzogen. Er trug eine ungefüge Maschine auf den Rücken geschnallt.
»Vier.«
»Mit Ihnen?«
»Ja.«
»Hm… Ich weiß nicht; es wird ziemlich mühselig sein.«
»Ich werde Maschinen herbeischaffen.«
»Deswegen habe ich Sergejow bereits zu Virginia geschickt. Sie wird sobald wie möglich welche schicken.«
Carl verspürte eine hitzige Aufwallung von Gereiztheit. »In diesem Quadranten bin ich für Maschinen zuständig.«
Saul seufzte. »Sehen Sie, es ist ein Notfall…«
»Ich werde Virginia rufen. Dies ist nicht Ihr Labor, Lintz! Hier unten bestimme ich!«
»In Ordnung. Rufen Sie!«
»Gut… Ich kann es machen, während wir unterwegs sind.« Carl schüttelte verdrießlich den Kopf. »Haben Sie die Frequenzen?«
Saul klopfte auf seine Brusttasche. »Hier bei mir. Hat mich die ganze Nacht gekostet.«
»Ich kann Ihnen nur wünschen, daß es klappt.«
»Ich hoffe es.«
»Hoffnung ist nicht annähernd genug.«
»Garantieren kann ich nichts.«
»Wissen Sie, daß wir nur noch ein Dutzend, vielleicht fünfzehn gesunde Leute sind? Sie fallen schneller um, als wir sie auftauen können, wie ich höre. Ich arbeite mit Männern, die wie ich selbst vor Überarbeitung kaum noch aufrechtstehen können, und mit Frauen, denen die Nasen rinnen und die in ihre Schutzanzüge husten. Ich meine…« Er holte tief Atem, kniff die Augen zu und stieß die Luft mit einem müden Seufzer aus. »Es muß klappen.«
Saul nickte mitfühlend. »Dann also los!«
In Schacht 3 trafen sie Jeffers, Sergejow und Lani. Hier hatte alles angefangen. Der Schacht war gut beleuchtet, so daß sie bei der Arbeit sehen konnten, die phosphoreszierenden Streifen glommen in regelmäßigen Abständen wie beleuchtete Reklameschilder entlang einer Autostraße, die sich in der Ferne verlor.
Die Mitglieder der Gruppe hingen wie Farbflecken vor dem rosa Fibergewebe der Wandverkleidung. Jeder Anzug war von einer anderen Farbe. Aus einem Seitenstollen kam ein großes, asymmetrisches Monstrum, gezogen von Maschinen. Drei zusätzliche Maschinen folgten.
»Virginia hat sie freigemacht«, sagte Jeffers. »Das macht die Sache für uns einfacher.«
»Ja«, sagte Carl. Es wurmte ihn, daß Saul die Maschinen so rasch bekommen hatte, und
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