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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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ihm, daß er anomal sei. Seltsam. Ungewöhnlich.
    Und nahezu alle Abweichungen neigten zur menschlichen Norm, wie sie von der Erde bekannt war. Bis auf eine.
    Fremde Infektionserreger…
    Er betrachtete die Schätzung und pfiff mit gespitzten Lippen.
    Nach dem geschätzten Infektionsgrad müßte er tot sein.
    Tot? Er lachte. Der verdammte Rechner schien zu denken, sein Blut sei ein Gewimmel gefährlicher Eindringlinge. Seine Körperflüssigkeiten voll von abscheulichen, bösartigen Erregern, von denen ein kleiner Bruchteil ausreichen sollte, ihn umzubringen!
    Doch die anderen Ablesungen sagten: Nominal…
    Nominal…
    »Verrückte Maschine«, murmelte er.
    Dann aber fiel ihm ein, wie er im Stollen mit dem Percell gerungen hatte… Die Überraschung – seine eigene und die seines Gegners – als er, kaum zwei Wochen aus dem Kühlfach, dem anderen die Arme zurückgebogen hatte…
    »Visuelle mikroskopische Darstellung«, befahl er. Es war Zeit, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Etwas stimmte hier nicht, und die beste Möglichkeit herauszufinden, was in seinem Bio-Computer schadhaft war, würde eine eigene altmodische histologische Untersuchung sein. »Bildschirm eins, Gegenstand Blutprobe, Vergrößerung neunzig.«
    Die Mikroskopie kam ins Bild. Sie zeigte eine strohfarbene See, in der rosafarbene, weißliche und gelbliche Klumpen trieben. Um sie herum herrschte ein wildes Durcheinander von Einzellern der verschiedensten Formen und Tönungen, die in der salzigen Flut ruderten und umherschnellten.
    Saul schüttelte den Kopf, starrte, schüttelte ihn wieder.
    Ohne daß es ihm bewußt wurde, bewegte er in völliger Verblüffung die Lippen, als wolle er ein stummes Stoßgebet zum Himmel senden.

 
5

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CARL
     
    Mißmutig wandte Carl den Blick vom erlöschenden Bildschirm. Er hatte soeben ein weiteres nutzloses Gespräch mit Major Clay beendet, dem erstaunlichen Mann mit dem Holzgesicht, der alle zur Erde gefunkten Fragen auffing und zurückwarf. Aus der Heimat waren weder Ratschläge noch Informationen oder gar Sympathie zu erwarten, soviel war gewiß. Major Clay wich jeder drängenden direkten Frage aus. Mit jedem Jahr, das ins Land ging, übertünchten sie ihre Furcht durch eine Erhöhung des Anteils an belangloser Unterhaltung in den wöchentlichen Sendungen. Das ließ weniger Zeit für wirkliche Kommunikation.
    Diesmal hatte Carl ungeduldig ausgeschaltet, bevor die Sendezeit verstrichen war. Es war doppelt irritierend, daß er Major Clay niemals durch einfaches Auflegen brüskieren konnte, weil die Zeitverzögerung durch die Lichtgeschwindigkeit inzwischen fünf Stunden betrug. Das war für schlagfertige Antworten nicht gerade günstig.
    Nun war es Zeit, sich auf die Versammlung vorzubereiten. Er schaltete um auf LAUFENDE ABLESUNG und erwartete den gewohnten Situationsbericht zu sehen, bekam aber nicht die gewohnte fünffarbige Statustabelle. Statt dessen wurde ihm ein Getröpfel von Johnvons momentan enthüllten inneren Strömen überspielt. Es war wieder ein Gedicht. Während er es überflog, begann Carl zu lächeln.

So eilig huschen die Menschen hin,
Ich selber ein Schatten dazwischen bin.
Ob Ortho, ob Percell, es quält die Gedärme,
Verlangen nach Heimat, nach Sonnenwärme!
Der alte Johnvon allein hat die Zeit,
Versteckt ein Geheimnis im blechernen Kleid:
Gold! Als Bergleute, Herr Major,
Behandelt uns bitte, wie zuvor!
Nun wollen sie zum Mars noch fliegen,
Dort Bruch zu machen, statt zu siegen.
So gebt nur auf die Köpfe acht,
Wenn Halley auf dem Mars zerkracht,
Zu düngen ihn mit den Flüssigkeiten
Von tiefgefrorenen Halley-Leuten.
 
Würmer kriechen da und dorten,
Groß sind alle nur mit Worten.
Percell schreit: die Orthos schlachtet!
Wenn sie könnten; doch wer achtet,
Daß hier draußen beim Neptun
Niemand rasten darf noch ruhn?
Der Kurs, er muß geändert werden.
(Oder ihr alle mit euren Beschwerden,
Mit den Läusen und Mikroben,
Müßt zurück zur Erde droben,
Raketenmäßig über die armen Leute
Herzufallen als Seuchenmeute.)
     
    Carl lachte. Unglaublich! Dies war nicht der erste Hinweis darauf, daß Johnvon sich in ›Mußestunden‹ mit Gedichten beschäftigte, aber in letzter Zeit hatte sich der bioorganische Fachidiot auf eine unheimliche Weise vervollkommnet. Oder vielleicht bewies es nur, daß das Reimen in Wirklichkeit keine Aktivität auf höherer geistiger Ebene war. Dies waren merkwürdig bittere, ironische Reime, die aneinandergereiht dahinholperten, aber etwas steckte dahinter.

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