Im Herzen des Kometen
Viertel Percell-Anteil am Personal angefangen. Inzwischen hatte sich das Verhältnis unter denen, die gesund genug waren, daß sie Dienst tun konnten, ausgeglichen oder sogar zu Gunsten der genetisch Veränderten verschoben.
Aber das Endergebnis blieb das gleiche. Sie befanden sich alle in einem Prozeß allmählichen Sterbens. Schließlich fand er den Mut, eine kurz zuvor von Virginia genommene Probe zu untersuchen.
Seine unguten Erwartungen trogen nicht. Sie war frischer, aber er konnte die Zeichen lesen. Selbst in ihrem Fall, gerade aus dem Kühlfach, war das Unausweichliche bereits weit fortgeschritten.
»Nun«, murmelte er, »vielleicht kann ich Gesetzmäßigkeiten finden. Vielleicht lassen sich die Cyanuten noch besser anpassen.«
Seine Hoffnung, daß diese Vorgangsweise helfen würde, blieb allerdings gering. Jener Durchbruch hatte es den Menschen ermöglicht, hier zu leben. Aber die einheimischen Formen paßten sich an. Immer mehr von ihnen mieden die spezielle Zuckerkomponente, die seine kleinen genmanipulierten Geschöpfe befähigt hatte, ihre zusätzliche Arbeit so gut zu leisten.
Noch immer stellte sich die alte Frage, jeden Tag, fast jede Stunde, die er wachend verbrachte. Er mußte sie während der langen Jahre im Kühlfach mit sich getragen haben:
Wie war es möglich, daß die fremden Lebensformen in ihren Körpern existierten? Wie war es möglich, daß Ingersoll und die anderen Höhlenbewohner den Algenbewuchs essen und überleben konnten? Wieso bestand soviel Ähnlichkeit?
Eine Simulation, die er und Virginia vor langem schon mit Johnvon durchgeführt hatten, hatte gezeigt, wie eine grundlegende Ähnlichkeit zustandegekommen sein mußte. Es war nichts Neues, daß die organische Chemie unter einer breiten Vielzahl von Umständen die gleichen Aminosäuren, die gleichen Purine und Pyrimidine erzeugte. Man konnte annehmen, daß Leben sich überall aus der gleichen Ausgangslage entwickelte.
Hier aber gingen die Ähnlichkeiten ein gutes Stück darüber hinaus. Es verhielt sich beinahe so, als ob Menschen nicht die ersten Erdenbewohner wären, die den Kometen besiedelt hatten. Als ob es frühere Einwanderungswellen gegeben hätte und der gegenwärtige Krieg einer zwischen entfernten Vettern wäre.
Im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert hatte ein berühmter Astronom sogar den mittelalterlichen Glauben, daß Kometenerscheinungen Epidemien erzeugten, von neuem aufgewärmt. Seine Hypothese lautete, daß Urviren in die Atmosphäre herabschwebten, wann immer die Erde auf ihrer Bahn einen Kometenschweif kreuzte. Dies, so meinte er, sei der durch jahrtausendelange Beobachtung begründete und nicht etwa aus Unwissenheit und abergläubische Furcht entstandene wahre Kern der alten Mythen, die Himmelserscheinungen wie den Halleyschen Kometen als Vorboten des Unheils und böse Sterne bezeichneten.
Beim Lesen solch wunderlichen Unsinns hatte Saul gelacht. Aber das war lange her. Heute… nun, er wußte nicht, was er darüber denken sollte. Nichts schien irgendeinen Sinn zu ergeben.
Der Computer blinkte ihm einen Kode zu, immer wieder.
F4-D56.
Weitere Daten erforderlich.
»Gewiß«, pflichtete er in liebenswürdigem Ton bei. »Eine sehr verständliche Forderung.«
Morgen wollte er hingehen und einen Versuch machen, Quiverians Arcisten zur Zusammenarbeit zu gewinnen. Dann fiel ihm ein, daß er sein eigenes Blut noch nicht untersucht hatte.
Ein weiterer Baustein für eine allgemeine Grundlage. Er trat zum Behandlungstisch, nahm die Proben, bereitete sie vor und brachte sie zur Fluoreszenzanalyse. Zahlen und Kennzeichnungen zuckten in vielen Farben, Beschreibungen und graphische Darstellungen, programmiert, Unterschiede und Abweichungen von früheren Proben und den Durchschnittswerten zu zeigen.
Blinkende Signale, leuchtende Anomalien. Er rieb sich die Augen. Beinahe alles war verschieden! Da war die Aufstellung der Lymphozytenzählung… alle Typen: innerhalb des normalen Bereichs.
Das hatte es bei keiner anderen Probe gegeben. Nur seiner.
Elektrolytisches Gleichgewicht… nominal.
Seine Probe war die einzige, auf die das zutraf!
Stoffwechselprozesse… nominal.
»Dumme Maschine«, brummte Saul, schlug gegen die Seite des Eingabegeräts, ließ den Test wiederholen und durch das Kontrollprogramm nachprüfen. Nur grüne Lichter blinzelten von der Schalttafel. Die Maschine behauptete, sie habe richtig gearbeitet.
»Ich bin abartig, weil ich normal bin?« Er starrte die Zahlenreihen an. Alle bedeuteten
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