Im Herzen des Kometen
Flüchtlingsföderation.
Beobachter erwarten, daß die Entscheidung zu einer Diskriminierungsklage beim Internationalen Gerichtshof führen wird.
Nachdem Saul den Fernschreiberausdruck durchgelesen hatte, blickte er zu dem Mann auf, der ihn ihm gegeben hatte.
»Dafür verschwenden Sie das Papier der Ausdruckstation, Joao? Sie hätten es genauso leicht auf meinen Bildschirm übertragen können.«
Joao Quiverian war ein schlanker Mann mit gelblich-blassem Gesicht, einem widerspenstigen schwarzen Haarschopf und einer Habichtnase. Er tat Sauls Einwand mit einer Handbewegung ab.
»Eine Bildschirmübertragung hätten Sie einfach ignoriert. Aber ich möchte gern wissen, was Sie von diesem Abstimmungsergebnis halten, Saul!«
»Seit wann ist meine Meinung von Wichtigkeit? Ich bin enttäuscht, daß die Flüchtlingsföderation sich mit einer Stimmenthaltung begnügt hat. Eine weltumspannende Vereinigung von Vertriebenen und Flüchtlingen sollte in einer Frage wie dieser klar Stellung beziehen. Aber sie bemühen sich so angestrengt um Akzeptanz und Gleichberechtigung auf der internationalen Bühne, daß es tatsächlich keine Überraschung ist.« Er gab das Blatt zurück. »Abgesehen davon würde ich sagen, daß das Ergebnis die Welt zeigt, wie sie ist.« Die Antwort konnte Joao Quiverian, der erst vor drei Wochen zum Chefplanetologen aufgerückt war, als sein Vorgänger, Prof. Lehmann, durch einen Unfall ums Leben gekommen war, offensichtlich nicht befriedigen. Der Brasilianer befand sich ohnedies in einer enttäuschenden Situation. Da war er nun wenige Dutzend Kilometer vom Kern eines wirklich bedeutenden Kometen entfernt und mußte sich dem Befehl beugen, daß die wissenschaftliche Erforschung noch auf Wochen hinaus dem Ingenieurwesen den Vorrang einzuräumen hatte.
Quiverian mußte sich vorläufig auf Teilzeithilfe von ein paar ›Amateurkometologen‹ verlassen, die sich selbst auf dem Gebiet sachkundig gemacht hatten. Ohne Zweifel konnte er es kaum erwarten, einige seiner schlafenden Kollegen aus den Kühlfächern zu holen, um mit anerkannten Fachleuten über die Geheimnisse des Kometenlebens zu diskutieren.
Saul kam im allgemeinen mit ihm aus, solange sie über Fragen wie die Zusammensetzung der Materie des frühen Sonnensystems diskutierten. Diesmal war Quiverian jedoch in einer politischen Stimmung.
»Na hören Sie! Diese Nachricht ist wichtig, ein Meilenstein! Ich hatte mehr von Ihnen erwartet. Einen empörten Protest. Vielleicht eine Erklärung, daß Percelle wirklich menschliche Wesen seien.«
Saul war hier im Labor des Planetologen, um bei der Analyse der Bohrproben zu helfen, die von den Astronauten vom Kometen an Bord gebracht wurden. Er hatte die Berufung nur seinen Kenntnissen in Laboratoriumstechnik zu verdanken und war nicht hierhergekommen, um sich von Quiverian aufziehen zu lassen. Er hakte den linken Fuß hinter das Stuhlbein und sagte verdrießlich: »Kommen Sie, Joao! Sie wollten, daß ich für Sie ein paar Einschlüsse auf ihre organische Herkunft untersuche. Zeigen Sie mal den Bohrkern!«
Er streckte die Hand nach dem dünnen, versiegelten, über zwei Meter langen Rohr aus, das der Brasilianer hinter sich auf den Tisch gelegt hatte.
Aber Quiverian zeigte sich beharrlich. »Niemand behauptet, daß diese armen Mutanten keine Menschen seien. Nur, daß sie ein schrecklicher Fehler waren. Sie können der Menschheit – mit den Nationen des Sonnenkreises als Vorhut – nicht vorwerfen, daß sie nach Kontrollen verlangen.«
Saul nickte. »Kontrollen wie dem Ausschluß von Percellen von den Olympischen Spielen? Was wird als nächstes kommen? Getrennte Wasch- und Speiseräume? Besondere Trinkwasserzapfstellen? Gettos?«
Quiverian lächelte. »Sie machen es sich zu einfach, Saul. Es ging nicht bloß um die paar Leichtathletikrekorde, die von einer Handvoll Percellen gebrochen worden sind – groteske Selbstdarstellungen, die den Zorn von Millionen erregten. Die waren nur der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Ihre Schöpfungen…«
Saul schüttelte heftig den Kopf. »Nicht meine Schöpfungen.«
»Wie Sie wollen. Simon Percells Schöpfungen, seine Ungeheuer, sind lebende Erinnerungen an die Arroganz der Wissenschaft der Industriestaaten des Nordens im zwanzigsten Jahrhundert, die beinahe die Welt zerstörte!«
Saul seufzte. »Sie können der Wissenschaft und den alten Industriestaaten des Nordens nicht die Schuld an allem geben. Gewiß, sie verbrauchten ein Vielfaches der Rohstoffe
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