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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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ihre Programme nach den eigenen Denkprozessen geformt, hatte sich selbst Johnvons gekühlten organischen Gittern aufgeprägt. Unterwegs hierher war ihr der Gedanke gekommen, wie sehr die ganze Expedition davon gekennzeichnet war – getrennte Räume, weitreichende Ideen, abgeschlossen gegeneinander, alle zum gemeinsamen Ganzen beitragend, doch zugleich isoliert. Männer und Frauen in der Abgeschiedenheit ihrer jeweiligen Abteile, in der seltsam stillen Enge der Edmund Halley, alle begierig, die ausgehöhlte Welt zu betreten und sich dort in ihren jeweiligen Nischen zu vergraben.
    Sie fragte sich, ob die Expeditionsteilnehmer besser miteinander kommunizieren würden, wenn sie erst alle im Kern des Kometen untergebracht wären. Viele hatten während der jahrelangen Reise gearbeitet. Sie selbst hatte zehn Monate im Kühlfach geschlafen. Die vielfältigen Vorbereitungen für die Expedition hatten vor dem Reiseantritt keine Zeit für gesellschaftliche Veranstaltungen gelassen; die meisten Expeditionsteilnehmer waren ihr damals unbekannt gewesen, viele hatte sie nicht einmal zu Gesicht bekommen.
    Sie hatte die Unterbringungspläne im Kometenkern studiert. Als schematische Darstellung, als Rißzeichnung sah alles gut aus, aber bald würden sie alle eingeschlossen in einem euklidischen Labyrinth leben. Noch mehr als hier, wo das unaufhörliche leise Geräusch des Gravitationsrades die Künstlichkeit der Umgebung unterstrich. Wie schmerzlich empfand sie dieses ausgeprägte Innen und Außen, diese Trennwände und Barrieren. Sie alle waren Spezialisten, jeder geeignet für eine bestimmte Aufgabe, abgeschlossen. Kaum Kontakt.
    Um dem entgegenzuwirken, war sie hierher gekommen. Hatte endlich ihren Mut zusammengenommen, einen Anlauf genommen.
    Als sie die Gasse zwischen den Arbeitstischen und Regalen bis zum Ende gegangen war, wanderte sie wieder zurück. Jeder Augenblick war eine Absonderung und trennte eine unruhige Vergangenheit von einer gähnend leeren Zukunft, riesige Zeitabschnitte, die auf den dünnen Keil eines nervösen, zerbrechlichen Jetzt preßten.
    Laß diese ziellose Inspektion, sagte sie sich ärgerlich, und stelle dich dem, was du dir vorgenommen hast! Aber es war schwer, die Hürde zu überspringen, eine messerscharfe Barriere, und nicht zu wissen, was sie dahinter erwartete.
    »Saul?«
    Er tauchte aus tiefer Selbstvergessenheit empor. »Ah, was? – Ja?« Er zwinkerte, tiefe Falten um die müden Augen. »Verzeihung…«
    »Was – was haben Sie gefunden?«
    Es war, anders als sie sich vorgenommen hatte, ein Ausweichen. Aber vielleicht war es richtig so. Jeder fühlte sich geschmeichelt, wenn man ihn nach seiner Arbeit fragt.
    Saul schüttelte zweifelnd den Kopf. »Eine komische Sache.« Er rollte den Bleistift zwischen den fleckigen Fingern hin und her.
    »Was?«
    »Verunreinigungen, glaube ich. Von uns eingeführte Verunreinigungen in den Proben. Dieser verdammte Quiverian…« Er brach ab, als sein Blick etwas im Bildschirm erspähte. »Augenblick, vielleicht könnte dies…«
    Virginia beobachtete am Kontrollbildschirm, wie er Mikrosonden lenkte, die Proben aus mehreren länglichen, gefleckten Massen heraustrennte. Auf seiner Ebene wurde das Experiment zur Kunst. Mikromotoren übersetzten seine winzigen Handbewegungen in vielfach verfeinerte chirurgische Präzision um, führten die Sonden sicher und ohne Zittern vorbei an kristallinen Strukturen und den schlangengleich zusammengerollten Molekülketten schlüpfriger, farbenfroher Kohlenwasserstoffe. Sichere Finger und ein sehr forscher Geist.
    Er arbeitete schweigend und konzentriert, zurückgezogen in seine dunklen Geheimnisse. Gut, laß dir Zeit! dachte sie. Nicht drängen! Allzu mutig war sie nicht gewesen, aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß Männer eben Zeit brauchten, um von einer Großhirnhälfte auf die andere umzuschalten.
    Sie entspannte sich und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Wandschmuck zu. Jedes Expeditionsmitglied hatte das Recht, seinen oder ihren Raum im Rahmen des Möglichen zu gestalten. Die Möglichkeiten waren in Sauls Laboratorium sehr begrenzt, weil kaum eine Wand frei war, aber Virginia gefiel, was er gewählt hatte. Ein metallisch blauer Fluß wanderte durch tiefgrünes Marschland, und darüber kreiste ein Möwenschwarm. Die Konturen waren klar, und ein glänzender Spritzer sprang aus dem Flußwasser, wo ein Vogel die Oberfläche zur Landung berührte. Im Hintergrund sprenkelten verstreute kleine Inseln eine blasse See. Zur

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