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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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Sie nicht, wirklich.«
    »Machen Sie das denen klar!«
    »Ihre Eltern hätten Sie dagegen abschirmen sollen.«
    »Meine Eltern…? Passen Sie auf! Mit elf Jahren war ich das einzige Mädchen in meiner Klasse, das keine Nylonstrümpfe hatte. Ich ging ins nächste Kaufhaus und kaufte mir welche. Ich wußte nicht, wie ich sie obenhalten sollte – irrtümlich hatte ich die alte Art genommen, keine Strumpfhose.«
    »Ihre Mutter…«
    »Sie starb, als ich zehn war.«
    »Lupus.«
    Sie nickte.
    »Nun, in der Hitze dort muß es ohne Strümpfe sowieso angenehmer gewesen sein. Ich stelle mir vor, daß Sie ein rechter Wildfang waren, in der Sonne Hawaiis am Strand lagen und sich mit dem Surfbrett vergnügten.«
    »Ja, es war schön, aber… Nun, mein Vater erzog mich. Ich erinnere mich eines Tages, als ich mit den Jungen Fangen spielte und sie sich über meine hüpfenden Brüste lustig machten. Das war auf Maui, wo niemand sich etwas dabei denkt, über solche Dinge zu reden. Ich ging wieder ins Kaufhaus. Die Verkäuferin mußte mir alles über Büstenhalter erklären; ich wußte nicht mal, was die Größen bedeuteten. Dann, in der siebten Klasse, fing ich an, Röcke statt Jeans zu tragen, weil die anderen Mädchen es auch taten. Einer meiner Mitschüler wurde auf meine behaarten Beine aufmerksam und schrie, sie wollten alle zusammenlegen und mir zu Weihnachten einen Rasierapparat schenken. Ich wäre am liebsten im Boden versunken! Am nächsten Tag nahm ich den Rasierapparat meines Vaters und schnitt mich so schlimm ins linke Schienbein, daß die Narbe immer noch zu sehen ist.«
    »Ich sehe.«
    Sie wurde plötzlich verlegen. All das war irgendwie ungeplant herausgekommen. »Ich war nicht sehr geschickt in diesen Dingen. Zwar sagte ich mir, es liege daran, daß meine Mutter tot und auch sonst niemand da sei, mir alles zu erklären. Und ich konzentrierte mich auf Mathematik, auf Computer.«
    »Hätten Sie das nicht getan, könnten Sie heute eine glückliche Hausfrau sein und Kinder am Schürzenzipfel hängen haben.« Sie erwiderte sein Lächeln, aber gleich darauf gewann ein alter Reflex die Oberhand. »Zum Teufel damit!«
    »Genau!«
    Außerdem stand mir die Wahl nicht offen, dachte sie. »Für jedes Für gibt es ein Wider.« Sie versuchte auf seine ironische Art einzugehen und ihm zu zeigen, daß sie nicht bloß ein Schulmädchen war, das wegen Anpassungsproblemen als Jugendliche zur Computernärrin geworden war.
    Aber Sauls Gesicht hatte wieder den nachdenklichen Ausdruck angenommen, und seine Augen blickten wie nach innen. »Sie liegen mir alle am Herzen, wissen Sie, alle Percelle. Sie müssen dafür bezahlen…«
    »Wofür bezahlen?«
    »Für unsere Sünden.«
    »Was heißt Sünden? Und wieso bezahlen wir? Sie haben nichts Schlechtes getan! Es sind andere, die…«
    Er brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. »Tut mir leid! Manchmal denke ich zurück, wie es war. Was wir erhofften, wofür wir arbeiteten. Das ist alles verloren, kein Zweifel. Und darin liegt einer der Hauptgründe, daß ich angeheuert habe. Um vor einem ganzen Wust von Fehlschlägen und Mißerfolgen davonzulaufen.«
    »Aber Sie haben doch keine…«
    »Nein, lassen wir das! Es ist so, daß… es unmöglich ist, jene Tage zu vergessen, aber zwecklos, sie zu erinnern. Besser, man redet nicht davon.«
    »Saul, ich… ich habe den größten Respekt vor…«
    Aber er winkte energisch ab. »Geben Sie mir Ihr Glas, damit ich es auffülle! Und… und…« – er beugte sich schnell zur Seite und nieste.
    »Verflixt! Ich werde dieses Ding nicht los.«
    »Nehmen Sie was!«
    »Habe ich.«
    Ein weiteres Kreuz, das er zu tragen haben wird, dachte sie. In einem Schneeball zu leben und die ganze Zeit zu schnupfen.
    Percelle brauchten sich nicht mit Halsschmerzen und laufenden Nasen zu plagen. Die Gentechniker hatten, während sie Anämie und Lupus und die anderen Zielkrankheiten beseitigt hatten, auch den Komplex der Schlüsselmoleküle beschnitten, der den Viren ihren Freiraum gegeben und der Menschheit eine Million Jahre Erkältungen und Grippe beschert hatte.
    »Vielleicht ist es besser, ich mache uns eine -Tasse Tee.«
    Er lächelte unbestimmt, und wieder war der abwesende Ausdruck in seinen Augen, als hinge er Gedanken an eine ferne Vergangenheit nach, die so weit zurücklag, daß sie nur ihm zugänglich war. »Ja, tun Sie das! Meine Mutter machte es auch so. Danach gab es Hühnersuppe.« Er lachte, aber seine Augen hatten daran nicht

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