Im Herzen Des Lichts
Hand schob sich aus einer Kalksteinplatte der gegenüberliegenden Wand. Die Hand war so durchsichtig, daß der sich setzende Staub damit zu verschmelzen schien, und so dünn, daß man hätte meinen können, sie bestünde nur aus dem Knochengerüst, wäre nicht das leichte Schimmern von Schuppenhaut gewesen.
Jeder ihrer drei Finger lief in einer Kralle aus, etwa einen Zoll lang und so scharf wie Glassplitter.
»Rasch, die Leiter hinauf!« brüllte Samlor Khamwas zu und sprang mit seiner damaszierten Klinge auf die Erscheinung los. Der Dolchgriff paßte für seine Prankenhand, wenn er damit hieb, doch um mit dem Dolch zu stechen, war der Griff falsch geformt und lag unbequem in seiner Hand.
Aber ein Stich hätte nicht mehr und nicht weniger bewirkt als der Hieb.
Die krallenbewehrte Hand drehte sich, um nach der Klinge zu fassen, während sich ein dünner Arm weiter aus der Wand schob. Stahl durchtrennte den Arm wie Rauch, und die Krallen drangen durch den Dolch, als hätte auch dieser keine Substanz.
Dann griff eine zweite Hand neben der ersten aus dem Stein. Über und zwischen ihnen formte sich etwas zu einer reptilartigen Fratze.
»Verschwindet!« warnte der Cirdonier erneut, als ihm ein rascher Blick zur Leiter zeigte, daß Khamwas immer noch stand, wo er zuvor gewesen war. Er überkreuzte die obere Stabhälfte mit dem linken Unterarm.
»Nein, flieht!« entgegnete Khamwas. Er hatte lautlos eine Beschwörung gemurmelt und verzog nun das Gesicht vor Anstrengung und keuchte: »Ich habe ihn wieder losgelassen, aber ich kann ihn lange genug festhalten.«
Kopf und Rumpf des Dämons waren inzwischen ebenfalls aus der Wand gedrungen und ein im Schritt erhobenes Bein folgte. Eine Hand schoß vor und packte den Seeigel, der unter den Krallen zu malvenfarbigen Funken zersprühte. Als der Dämon den Arm zurückzog, vereinten die Funken sich wieder zur vorherigen Form. Die Lichtkreatur trudelte weiter durch die Luft.
Samlor war sicher, daß nichts seine kleine Nichte wieder zum Leben erwecken würde, wenn sie diese Klauen zu packen bekamen.
»Lauf, Stern!« brüllte er und wagte nicht, sich von dem Dämon abzuwenden, der sich unaufhörlich aus dem Stein schob.
Khamwas hatte sich nicht gerührt, nur seine Lippen bewegten sich lautlos. Vielleicht hätte es Samlor jetzt selbst tun sollen, da der törichte Napataner sich nicht in Sicherheit bringen wollte. Zur Leiter springen, hinaufklettern, den verdammten Raum wieder verschließen - falls das ohne eine umständliche Suche nach einem weiteren Mechanismus möglich war; mit Stern auf den Armen durch die Haustür verschwinden, hoffen, daß er die Riegel schnell genug öffnen konnte - und daß der Türhüter sie wirklich ignorierte, wie Khamwas behauptet hatte.
Doch statt so etwas zu tun, trat Samlor einen Schritt vorwärts und hieb erneut nach dem Dämon. Er würde Khamwas nicht dieser Kreatur überlassen, außer wenn es keine andere Möglichkeit mehr gab.
Er hieb nach dem Handgelenk. Aber nun fuhr die Klinge nicht mehr hindurch wie Licht durch Nebel. Der Stahl klirrte betäubend, als hätte er einen Amboß getroffen.
Der Dämon packte die Klinge und kicherte schrill. Er war fast frei, nur sein rechtes Bein steckte noch in der Wand. Dieses Bein war immer noch unstofflich wie Rauch, aber die Krallen seines linken Fußes zogen Furchen durch den Betonboden, während der Dämon sich plagte, den rechten Fuß ganz aus dem Stein zu zerren. Seine linke Hand langte nach Samlors Gesicht, während seine Rechte den Dolch umklammerte.
Samlor atmete heftig mit offenem Mund, ungeachtet des Staubes, der ihn zu jeder anderen Zeit zum Husten gereizt hätte. Mit einem Ruck riß er den Dolchgriff nach unten und duckte sich unter den Hieb der Klaue, der so langsam begann wie ein rollender Felsbrocken und den Bogen dann blitzschnell vollendete.
Die Klinge kam frei. Hätte ein Mensch sie gehalten, würden seine Finger jetzt abgetrennt auf dem Boden liegen oder an Hautfetzen herabbaumeln.
Die Klaue des Dämons war unverletzt und hatte Kratzer in die Klingenfläche gezogen.
Samlor öffnete die Spange seines Umhangs. Er konnte das Kleidungsstück wie ein Netz über die Kreatur werfen und.
. und zusehen, wie die Krallen den Umhang zerfetzten und der Dämon aus der Wand sprang, um die Menschen vor ihm zu zerfleischen. Die Augen der Kreatur hatten keine Pupille und glühten orange, eine Farbe, die dem Glühen des Seeigels in nichts nachstand, der immer noch unbeirrt herumtrudelte.
»Khamwas!«
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