Im Herzen Rein
Moment der Ruhe genossen. Dann schlug sie vor, an diesem schönen Herbsttag noch ein paar Schritte zu gehen, und deutete Richtung Luftbrückendenkmal. Die ersten Meter gingen sie schweigend. Paula wollte schon fragen, ob sie Neues von Heiliger gehört habe, aber sie spürte, dass dies nicht der richtige Moment war. Außerdem wäre Chris damit wahrscheinlich sofort herausgeplatzt. Schließlich fragte Chris, wie es mit Ralf gehe. Paula blieb stehen und lachte, sie frage doch sonst nicht nach Ralf. Chris zog sie weiter. »Du lebst mit ihm zusammen. Da kann man schon mal fragen.«
»Ralf geht es gut«, sagte Paula, »er hat jetzt Erfolg. Ich glaube, das bekommt ihm.«
»Woran merkst du das?«
»Er ist nicht mehr so anhänglich.«
Jetzt sah sie bei ihrer Freundin endlich mal wieder dieses verschmitzte Lächeln, das sie an ihr so mochte.
»Oh, gut, das gibt dir mehr Raum. Da kannst du wieder einen Blick auf die Welt werfen.«
»Im Moment bin ich mit Männern beschäftigt, die dir nachstellen könnten«, sagte Paula spöttisch. »Zum Beispiel diese drei hier.« Sie holte Fotoausdrucke aus ihrer Tasche von Kemper, Kappe und Anzug . »Hast du einen schon mal gesehen?«
Chris betrachtete das Bild von Kemper und schüttelte den Kopf. »Er wär schon mein Typ. Aber der lässt dir keine Luft, und dafür ist er dann zu langweilig.«
»Und der?«
Chris warf einen Blick auf Anzug . »Der ist überhaupt nicht mein Typ. Der denkt, er wäre the cream of the dick . Der sollte im Café Keese fischen gehen.«
»Und der?«
Sie blieb stehen, um das Bild mit Kappe genau zu betrachten. »Nein, kenne ich nicht.« Irritiert sagte sie: »Gib noch mal her.« Sie betrachtete es eingehend. »Könnte ein Sado-Maso-Typ sein.«
»Was du alles siehst.«
Chris zuckte mit den Schultern. »Vielleicht auch nicht. Wär jedenfalls nicht meine Ecke.« Sie gab es Paula zurück.
»Woher hast du die?«
»Sie hatten mit Johanna Frenzi zu tun. Es hätte ja einer sein können.«
»Von denen ist es keiner.«
Ihr Ton klang angespannt. Paula hatte überlegt, ob sie ihr von dem Gespräch mit Bach berichten sollte und auch von seiner These, dass sich der Mörder bei der Konferenz unter den Journalisten aufhalten könnte, ließ es aber. Chris’ Zustand schien ihr zu labil.
Der Saal im Polizeipräsidium war brechend voll. Die Leiterin der Presseabteilung, Frau Ingelheim, die die Konferenz organisiert hatte, flüsterte ihr zu, es seien mehr als vier Kamerateams da, mindestens zehn Teams vom Rundfunk und eine Menge Zeitungsjournalisten, auch ausländische. Vor allem die Russen seien ganz verrückt nach dem Fall.
Das Podium war mit Innensenator Wernigerode und Polizeipräsident Fromberg prominent besetzt. Daneben saßen Referatsleiter Saenger, Abteilungsleiter Schmidt, Paulas Chef Westphal als Leiter aller neun Mordkommissionen und Chris als zuständige Staatsanwältin, neben der Paula Platz genommen hatte.
Der Polizeipräsident begrüßte zuerst den Innensenator, der wegen der besonderen Schwere des Falles erschienen war, und dann die Medien, denen er die einzelnen Beteiligten am Tisch vorstellte. Als Chris vorgestellt wurde, beugte sich Paula vor, um sie besser sehen zu können. Sie saß mit eisiger Miene da, und Paula fand, dass sie ein wenig aussah wie Nofretete.
Fromberg war inzwischen bei der Zusammenarbeit mit den Medien angelangt und betonte zum dritten Mal, wie wichtig bei diesem Fall die Aufklärung der Öffentlichkeit sei. Vor allem gehe es darum, die Frauen sachlich aufzuklären, sie nicht in Angst und Schrecken zu versetzen und die Bevölkerung eindringlich um Hinweise zu bitten, die den Täter entlarven und weitere Morde verhindern könnten.
Paula dachte an den Anruf auf ihrer Mailbox und an Bachs Theorie, der Täter würde die Berichterstattung in den Medien genau verfolgen und versuchen, dabei mitzuspielen. Wenn er sich in die Pressekonferenz einschleichen könnte, würde er es tun, war Bachs Meinung. Bachs Täterprofil beschrieb ihn wie eine Raubkatze, die ihre Opfer permanent im Blick hatte. War der Killer jetzt dabei? Hatte er sich als Journalist eingeschlichen? Würde er sich zu Wort melden? Oder würde er eine andere Rolle übernehmen?
Während der Rede versuchte Paula, die einzelnen Journalisten auszumachen. Bei den Berlinern, mit denen sie schon jahrelang zusammenarbeitete, war das kein Problem.
Der ehrgeizigste von ihnen war der Hai . Tommi hatte irgendwann angefangen, den Journalisten Tiernamen zu geben. Der Hai saß
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