Im Herzen Rein
wie gewöhnlich weit vorne und trug ein braunes Hemd mit schlammfarbenen Cordhosen. In der Nähe der Tür entdeckte Paula die Gans vom Berliner Kurier , weiter vorn beugte sich Magnus Meier, die Qualle , über seine Notizen. Wenn er auf ihrem Display erschien, bekam sie Zustände, weil sie wusste, die Qualle würde wieder endlos mit Fragen nerven. Auf der anderen Seite sah sie Gustl Ätsch, den Schwulen von Kripo live , den sie wegen seiner bunten Halstücher Papagei nannten, Tom Haffner von taff und Susi, die Ziege von Inforadio .
»Ich übergebe das Wort an Kriminalhauptkommissarin Zeisberg, die die Ermittlungen führt und an die Sie später Ihre Fragen richten können. Vielen Dank.«
Paula wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war. Dann bedankte sie sich für das zahlreiche Erscheinen und stellte beide Morde ausführlich dar. Dabei wanderten ihre Augen über die Zuhörer. Ein Mann schob sich in den Saal und blieb gleich in der Nähe der Tür stehen. Er wirkte auf Paula, als konzentriere er sich mehr auf eine mögliche Flucht als auf die Teilnahme an der Veranstaltung. Sie behielt ihn im Auge. Als die Diskussion begann, beteiligte er sich nicht, schrieb nichts auf, hatte weder Kamera noch Rekorder dabei und war äußerst nervös. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Als sie einem Fragenden erklärte, dass der Täter seinen Opfern eine Stahlnadel ins Herz gestoßen hatte, grinste er. Sie bedauerte, dass sie nicht jemanden vom Team mitgenommen hatte, den sie jetzt hätte hinschicken können. Zu den Dingen, die sie absichtlich nicht erwähnte, gehörte die Barbiepuppe. Das hatte sie mit Chris so abgesprochen. Wenn Bach glaubte, der Täter wäre anwesend und würde reagieren, so würde er vielleicht eine Frage nach dem Bombenalarm im Guggenheim stellen.
Sie sah, dass Bach jetzt den Saal betrat, und freute sich, dass er es noch geschafft hatte. Unmerklich nickte sie ihm zu, und er lächelte zurück, während er sich durch die Teilnehmer schob. Sie hoffte, er würde nah an den widerlichen Kerl herangehen. Vielleicht würde er ihm dann auffallen.
Die Fragen drehten sich inzwischen um die Kleider, die der Täter den Toten angezogen hatte. »Wir haben herausgefunden, dass dieses Modell bei der Modekette C&P verkauft wird. Wir haben alle Käufe, die mit Kreditkarten getätigt wurden, nachverfolgt. Dort hat sich keine Spur ergeben. Aber wir haben eine Zeugin, die sich an einen männlichen Käufer erinnern konnte, der bar bezahlt hat. Diese Spur verfolgen wir weiter.« Spontan hatte sie sich zu dieser Finte entschlossen. Würde es eine Reaktion geben? Sie schaute Bach an, er nickte zustimmend. Natürlich fragte der Hai sofort nach. Er wollte Näheres über diesen Käufer wissen. Paula bedauerte, dass sie dazu noch nichts an die Öffentlichkeit geben könne. Sie sah zu dem merkwürdigen Mann hinüber, konnte aber keine Reaktion feststellen.
»Was tut die Polizei, um die Berliner Frauen zu schützen?«, wollte die Gans wissen. Paula schien, als wollte dieser Fremde wieder gehen. »Übernimm«, zischte Paula Chris zu und erhob sich von ihrem Platz. Sie wollte verhindern, dass dieser Mann einfach wieder verschwand. Sie überließ es der Freundin, die Presse darüber aufzuklären, wie sich Frauen vor dem Killer schützen können. Was für eine Ironie des Schicksals, dachte Paula, dass nun ausgerechnet Chris diese Erklärung abgeben musste.
»Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit«, hörte Paula sie sagen, »aber man kann die Gefahr einer Entführung mindern. Auch wenn man nicht weiß, welche Eigenschaften eine Frau zum Opfer machen. Aber Frauen können ihre Umgebung aufmerksam beobachten und wachsam sein. Und natürlich sollten sie nachts keine Abkürzung durch einen einsamen Park nehmen. Auch eine selbstbewusste Haltung und ein energischer Gang können helfen. Bei dem Angriff eines Gewalttäters gelten dann zwei Taktiken. Die eine Taktik: keinen Widerstand leisten, sich nicht wehren. Denn manche Täter suchen den Widerstand und lassen ab, wenn sie ihn nicht bekommen. Die andere Taktik ist genau das Gegenteil: sofort Widerstand leisten, sich wehren und laut schreien. Denn der andere Tätertyp wird gerade davon abgeschreckt. Das Problem besteht in der schnellen Einschätzung des Angreifers. Am besten meidet man gefährliches Terrain.«
Paula hatte den Saal durch den Podiumseingang verlassen, ging den Flur entlang und öffnete vorsichtig die Tür des Haupteingangs, durch die der Nachzügler in den Saal gekommen war.
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