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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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und ließ sie auch von seinen Speisen probieren. Eigentlich machte es Spaß, so zu essen. Die Atmosphäre erinnerte sie an die Taverne Paco in Palma de Mallorca, und sie erzählte ihm davon. Er kannte sie auch. Palma hatte in der Kunstszene an Bedeutung gewonnen, und immer wenn er dort war, so berichtete er, gehe er in diese kleine Taverne abseits der touristischen Pfade. »Wir sollten nach weiteren Gemeinsamkeiten suchen«, sagte er.
    Sie ging zu Mineralwasser über und streute unbemerkt Salz hinein, weil es die Wirkung von Alkohol verringert. Von dem Rotwein nahm sie immer nur kleine Schlückchen. Heiliger prostete ihr so oft zu, als wolle er sie betrunken machen.
    Das Essen war schon halb vorüber, und Hubertus war noch immer nicht da. Der Mann vor ihr, dessen DNA sie wollte, kam ihr näher - ohne sich ihr äußerlich zu nähern. Unter anderen Umständen hätte sie es genießen können.
    In ihre Gedanken hinein fragte er: »Sie werden heute kein Glas einstecken, oder?«
    Sie hatte das Abräumen der Teller und Gläser beobachtet, war aber nicht der Meinung, dass die Ausbeute etwas ergeben würde. Jedes Mal, bevor er trank, tupfte er sich den Mund mit der Serviette ab. Er knabberte auch keine Hähnchenknochen ab, die man nach seinem Speichel hätte untersuchen können. Außerdem traute sie der Küche nicht, dass man dort das Geschirr tatsächlich gesondert aufheben würde.
    Auf seine provokante Frage hin stellte sie eine harte Gegenfrage: »Wo waren Sie Montagabend, den 18. September?«
    »Sie meinen, zwei Nächte vor unserer Begegnung?« Er betrachtete sie amüsiert. »Die war am 20. September. Das habe ich mir gemerkt.«
    »Und?«
    »Bei meiner Freundin im Bett«, sagte er frech. Und setzte hinzu: »Wenn Sie meinen Speichel analysieren wollen, sagen Sie’s doch. Das können Sie einfacher haben.« Er spuckte auf die Papierserviette, faltete sie zusammen und lachte spöttisch.
    Sie war nahe daran, ihm die Serviette zu entreißen und wegzurennen, aber in dem Moment kam Hubertus Bach. »Chris! Welche Überraschung, dich mal nicht bei Adnan zu treffen.« Und zu Heiliger gewandt: »Da laufen wir uns sonst manchmal über den Weg.«
    Sie versuchte, gelassen zu sein, und stellte die beiden einander vor: Heiliger als Star der Kunstszene und Bach als Studienkollegen, den sie erst kürzlich wiedergetroffen hatte. Sie winkte dem Kellner, damit er ein weiteres Glas brachte.
    Heiligers Stimmung rutschte sichtbar in den Keller. Er nahm einen Schluck Rotwein, tupfte sich die Mundwinkel mit der Serviette ab, faltete sie noch einmal und steckte sie wie ein Ziertuch in die Brusttasche seines Jacketts.
    Chris schien sie jetzt unerreichbar. Sie orderte Rotwein für Hubertus. Der Kellner öffnete den Rioja, und Heiliger sagte: »Für die Flasche brauchen wir Verstärkung.« Er holte sein Handy aus der Tasche und bestellte unverhohlen seine Freundin in die Tapas-Bar.
    Kurz darauf betrat eine blonde Frau das Lokal und kam direkt auf ihren Tisch zu. Sie umarmte Heiliger von hinten, flüsterte ihm etwas ins Ohr, schmiegte ihre Wange an seine und lächelte Chris und Hubertus an.
    »Das ist meine Freundin Antonia«, sagte Heiliger. Dann deutete er auf Chris. »Das ist die Staatsanwältin, die sicher wissen will, wo du Montagabend vor zwei Wochen warst.« Damit machte er sich los, stand auf und ging zur Toilette.
    Wahrscheinlich ist sie dreißig, dachte Chris, aber sie wirkte jünger. Ihr fielen die langen Wimpern auf, und sie wollte gerade etwas fragen, als Antonia sagte: »Das ist nicht schwer zu beantworten. Montags habe ich immer ladys talk , da treffe ich meine Freundinnen.«
    Chris lächelte. »Das war einer der Scherze Ihres Freundes. Was machen Sie beruflich?«
    »Ich bin Grafikerin.« Dann erzählte sie unbekümmert von ihrer Arbeit. Als Heiliger zurückkam, schob er sie zur Seite, um sich zu setzen. Seine Freundin unterbrach ihre Rede und konzentrierte sich auf ihn. Er war schlecht gelaunt. Seine Feindseligkeit Hubertus gegenüber war offenkundig. Unbeeindruckt aber referierte Bach über die neueste Entwicklung in der Kunstszene und ließ Heiliger keine Chance, etwas einzuwenden oder zu widersprechen. Bach stellte keine Fragen und ließ nichts offen. Ohne jedes Einfühlungsvermögen, dachte Chris, und es fiel ihr zum ersten Mal so deutlich auf. Urteile, Wertungen und Feststellungen türmten sich vor Heiliger auf, und Chris wartete gespannt, was passieren würde. Ihr war klar, dass er sich mit Bachs Fertigphilosophie nicht

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