Im Herzen Rein
denn plötzlich los mit dir? Als ich damals versetzt wurde und die Abteilung übernommen habe, hast du doch auch eingesehen, dass ich als deine Chefin nicht länger eine Affäre mit dir haben kann. Du hast das akzeptiert. Und es lief doch die ganzen Jahre sehr gut so.«
Er blickte kurz zum Himmel, und das Sonnenlicht, das durch die Bäume fiel, streifte sein Haar. »Aber du musst doch auch merken, dass da immer noch mehr ist zwischen uns. Ich will meine Gefühle nicht wegen irgendwelcher Dienstpläne ersticken.«
Paula musste lachen. »Musst du ja nicht, es steht ja nirgends: Küssen im Dienst untersagt!«
Sie sah ihn entschlossen an. »Also schön. Regeln wir das! Zwischen uns gibt es nur ein dienstliches Verhältnis, mit kollegialer Freundschaft. Geregelt?« Sie drückte auf den Knopf der Fernbedienung, und die Zentralverriegelung löste sich mit einem Klacken.
»Hast du dich nicht auch mal gefragt, ob das Ganze nicht ein Fehler war?«, fragte er.
»Was - die Affäre? Oder die Trennung?« Sie wollte einsteigen, und er machte die gleiche Bewegung auf seiner Seite.
Sie hielt inne und sah ihn über das Autodach hin an. »Es geht nicht nur darum, dass ich kein Verhältnis mit einem Dienstabhängigen will, Marius. Ich lebe seit zehn Jahren mit Ralf zusammen.«
»Aber ihr seid so verschieden, ihr lebt in unterschiedlichen Welten. Was hast du mit Kunst zu tun?«
Sie lachte rau. »Wir haben unsere gemeinsame Welt. Und überhaupt, wie willst du das beurteilen?«
Er sah sie ernst an. »Ich könnte mir auch vorstellen, dich zu heiraten.«
Sie war schockiert. Die Frau in ihr freute sich ein bisschen über diesen überraschenden Antrag, aber dennoch ärgerte sich Paula über den Übergriff. Marius kam ihr zu nahe und missachtete ihre Situation. Aber sie wollte sich jetzt in keine Diskussion zwingen lassen. »Ein Heiratsantrag?« Sie lachte. »Hier über das Autodach im Parkverbot? So einen unpassenden Antrag habe ich noch nicht bekommen.«
Plötzlich war er mit drei, vier Sätzen um den Wagen herum, und sie spürte seinen harten Griff am Oberarm. Sie sah ihn eisig an.
Er ließ ihren Arm sofort los. »Es tut mir leid, Paula.«
»Was bildest du dir eigentlich ein?«
Er sagte hastig: »Es tut mir wirklich leid. Das wollte ich nicht.«
Ihr wurde die Anstrengung bewusst, die es sie kostete, ihn auf Abstand zu halten. Sie musste ihm klarmachen, dass jeder Versuch von ihm sinnlos war und es bei ihr außer Abweisung nichts zu holen gab. Dabei merkte sie, dass es ihr nicht ganz leicht fiel. Er hatte recht, vor dem Urlaub war es ihr schwergefallen, ihre Gefühle, die mehr waren als Sympathie, rauszuhalten. Aber sie wollte nach all den Jahren nicht wieder hineingezogen werden, und sie wollte Ralf nicht betrügen. Sie machte eine kleine Bewegung auf Marius zu und sagte mit Nachdruck: »Hör auf damit, Marius. Ich sage dir ganz ernst, lass das.« Dann riss sie die Fahrertür auf und stieg ein.
Sie hatte kaum den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, da saß er neben ihr auf dem Beifahrersitz. »Okay, ich habe verstanden. Und es tut mir leid, dass ich dich bedrängt habe. Ich verspreche, dass es nicht mehr vorkommen wird.« Er streckte ihr förmlich die Hand hin. »Frieden.«
»Wir hatten doch gar keinen Krieg«, lachte sie, »aber gut: Frieden.« Sie gab ihm die Hand. Seine fühlte sich sehr angenehm an, und für einen Moment erinnerte sie sich, wie gut sie streicheln konnte. Sie wischte den Gedanken sofort beiseite. Die Entscheidung, die sie damals getroffen hatte, war die richtige gewesen.
»Ich will mir die Wohnung auch ansehen«, sagte er. »Es gibt keinen Grund, weshalb du mich ausschließen solltest.«
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, sagte: »Jetzt nicht mehr«, und startete den Wagen.
Paula hatte allein in die Wohnung gewollt, weil sie sich am besten in einen anderen Menschen versetzen konnte, wenn sie ungestört war. In einer Wohnung war so vieles, durch das Paula etwas von den Lebensgewohnheiten und der Persönlichkeit der Getöteten erfahren konnte. Wie hatte sie gelebt, besaß sie einen großen Bekanntenkreis? War sie in eine Beziehung verwickelt, frisch verliebt, oder hasste sie Männer? Aus allen Dingen in der Wohnung konnten wichtige Hinweise hervorgehen. Ihr Mörder war vermutlich ein Mann, der sie kannte oder der sie zumindest eine Weile beobachtet und eingekreist hatte. Irgendwann musste er sie angesprochen haben - sie muss vertrauensvoll mit ihm umgegangen sein, denn höchstwahrscheinlich hatte
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