Im Herzen Rein
bewundert, auch von ihrem harmlosen Ralf, der ihr einen Ausspruch Heiligers zitiert hatte: Wenn du große Kunstwerke schaffst, bezahlen die Scheißer, was du verlangst.
Heiliger starrte sie mit finsterem Blick an. Sie wollte sich vorstellen, da dröhnte von drinnen plötzlich laut Musik.
Sie hielt ihm ihren Polizeiausweis hin. Er warf einen Blick darauf, reagierte aber nicht. Er musterte sie noch einmal eindringlich und machte dann eine Bewegung, ihm zu folgen.
Das Atelier war ein großer Loft mit Betonfußboden. In einer Ecke gab es einen kleinen Raum, dessen Tür aufstand: die Toilette. Davor waren eine Badewanne, ein großer Spiegel auf Rädern und zwei Metallregale mit Handtüchern. Eine Küchenzeile nicht weit entfernt davon. Alles war offen. An den Wänden der Halle fielen ihr die großen Flachbildschirme auf, als wolle er von überall her Videos sehen. Die Decke war gespickt mit Scheinwerfern.
Er ging zur Stereoanlage und stellte die unerträglich laute Musik ab. Die abrupte Stille war wie ein Schock. So, als hätte man Paula Stöpsel aus den Ohren gezogen. »Danke«, sagte sie.
Er schritt eilig auf sie zu, sodass sie in Versuchung war, ihre Waffe zu ziehen. Sie tat es nicht, blieb aber bereit dazu.
Er grinste, als hätte er ihre Absicht erkannt. Er ging nah an ihr vorbei, um einen Stuhl heranzuziehen. »Bitte, nehmen Sie doch Platz«, sagte er mit ausgesuchter Höflichkeit.
Sie setzte sich, und während er sich wieder ein paar Schritte entfernte, suchte sie mit ihren Augen blitzschnell den Raum ab. Bis auf einige Bücherstapel und Hunderte von Fotos war alles aufgeräumt. Eine Ecke war wie ein Maleratelier eingerichtet: Farbspritzer an der Wand, Werkverzeichnisse, Farbdosen, Pinsel, farbgetränkte Tücher, alte Wildlederschuhe und Pullover mit Farbflecken und eine halb geleerte Kiste Rotwein.
Sie deutete in die Richtung: »Malen Sie dort?«
»Nein. Ich male nicht mehr -«
Sie sah ihn fragend an.
»Ich mache Installationen.« Er nahm ihr Schweigen für Unverständnis. »Diese Ecke da ist eine Installation mit dem Titel Sidney Pollocks Atelier. Davon wurden gestern Katalogfotos für meine neue Ausstellung gemacht.«
»Warum liegt da eine übermalte Barbiepuppe zwischen den Pinseln?«
»Warum. Warum ist die Banane krumm? So können Sie nicht an Kunst herangehen.«
»Woran arbeiten Sie gerade?« Paula wollte erst mal einen Kontakt zu diesem seltsamen Menschen herstellen.
Er schaute sie abschätzend an und antwortete schließlich: »Ich arbeite -«, machte wieder eine Pause und sagte: »- mit Ihnen.«
Paula lächelte. »Mit mir? Wollen Sie mit mir zusammenarbeiten?«
»Genau. Das meine ich.« Er schien sich zu freuen.
»Vielleicht können wir damit beginnen, dass Sie mir ein paar Fragen beantworten.« Sie betrachtete ihn aufmerksam. Er war das, was Chris einen »richtigen Kerl« nannte. Man traute ihm auf den ersten Blick zu, dass er mit schweren Materialien hantierte.
Er lächelte und machte eine Bewegung, mit der er sie zu ihrer ersten Frage einlud.
»Wo waren Sie letzte Woche Montag, am 18. September, spätnachmittags oder frühabends?«
»Aha. In dem Stück, in dem wir kooperieren, sind Sie die Kommissarin und ich der Mörder?« Er lächelte böse.
»Es ist das Stück, das Sie erfunden haben. Vielleicht können Sie Ihre Rolle etwas genauer skizzieren. Zum Beispiel, wenn Sie erzählen, was Sie an jenem Montag getan haben.«
»Silvia Arndt, aha. Wo war ich an jenem Abend?«
Paula stockte der Atem. Der Name der Toten war zwar aus den Medien bekannt, aber dass jemand den Namen sofort mit dem Datum verband, das war ungewöhnlich.
Plötzlich flammte ein Blitz auf, Paula erschrak. »Was soll das?!« Er war mit dem Fuß auf einen kleinen Gummiball getreten, von dem eine Schnur zu einer Kamera mit Blitz führte. Er hatte sie fotografiert.
Paula stand auf, legte ihre rechte Hand auf die Waffe und streckte die linke aus. »Geben Sie mir das Foto«, sagte sie.
Er grinste. »Ich behalte das Foto, und Sie kriegen Ihre Antwort. Wir wäre das?«
Paula überlegte kurz. »Einverstanden.«
»Ich war hier und habe gearbeitet.«
Paula sah auf einer Papierwand drei Zeilen in chinesischer Tinte, konnte sie aber nicht lesen. »Haben Sie Zeugen dafür?«
»Nein. Ich war allein. Besuch - und dann noch unangemeldet - stört mich. Das wissen alle um mich herum. Und Sie jetzt auch. Wollen wir noch mal eine Antwort gegen ein Foto tauschen?«
Paula hatte keine Ahnung, welches Spiel dieser Typ spielte und
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