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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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ein Mörder zu sein, nichts zu machen scheint. Er ist zynisch und gemein, vielleicht auch sadistisch. Ich halte ihn für rücksichtslos und brutal. Er ist auch raffiniert und intelligent. Ob das alles reicht, werden wir herausfinden. Jedenfalls weiß ich jetzt, dass wir ihn nicht ausschließen können.«
    »Wir brauchen einen konkreten Beweis«, drängte Chris. »Und der kann sich nur aus einem DNA-Vergleich ergeben, und dafür brauchen wir sein Blut.«
    Wegen eines Staatsbesuchs wurde der Verkehr umgeleitet. Paula wollte eine Abkürzung nehmen und blieb in einer schmalen Nebenstraße hinter einem Müllwagen stecken. Sie warf einen schnellen Blick in den Spiegel, aber hinter ihr waren schon Autos. Sie musste sich also gedulden.
    Sie überlegte, ob sie ein paar Telefonate erledigen könnte.
    Rechts auf dem Bürgersteig spielte ein Mann mit seiner dreijährigen Tochter. Sie lief auf ihn zu, er griff ihr unter die Arme, warf sie in die Luft, fing sie wieder auf, setzte sie ab, gab ihr einen Klaps, damit sie wieder weglief, und das Spiel ging von Neuem los. Jedes Mal warf er sie ein Stück höher. Sie kreischte, und er lachte. Sie waren inzwischen hinter dem Müllwagen verschwunden, aber als der ein Stück vorrückte, konnte Paula das Spiel weiterverfolgen. Der Mann warf das Kind immer höher, aber er warf es nicht mehr zu dessen Vergnügen hoch, sondern war in einen Wettkampf mit sich selbst geraten und probierte ehrgeizig aus, wie hoch er es überhaupt werfen konnte. Für Paula sah es so aus, als schwebte das Mädchen für einen langen Moment in der Luft.
    Ihr fiel ein, wie Jonas ihr von seiner Arbeit erzählt hatte und dass Kinder auf unserer Welt nicht mehr zu erwarten hätten als andere soziale Gruppen, die ebenfalls machtlos sind. Nur werde bei Kindern oft behauptet, das, was man ihnen zufüge, wäre zu ihrem Nutzen oder zu ihrem Spaß. Schrie das kleine Mädchen wohl aus Freude oder aus Angst? Den Vater schien das nicht zu interessieren, er amüsierte sich. Sie hätte sich jetzt gerne mit Jonas darüber unterhalten. Sie erinnerte sich, wie rücksichtsvoll und sanft er früher bei jeder Begegnung mit ihr umgegangen war. Er hatte sie nicht einmal geschubst, was die Jungs in den Schulpausen immer so witzig fanden.
    Der Müllwagen bog rechts ab, und der Weg war endlich frei. Paula wäre am liebsten ausgestiegen, um dem Vater die Meinung zu sagen, doch der klemmte sich seine Tochter gerade unter den Arm und verschwand in einem Hausflur.
    Vielleicht hatte sie an Jonas gedacht, weil er immer noch nicht abgereist war. Sie konnte seine Anwesenheit einfach nicht völlig vergessen. Es war, als zöge sie alles in Richtung des Hotels, wo er wohnte.
    Dass er sie wenig später tatsächlich anrief, bestätigte sie nur in diesem Gefühl. Sie war gerade ins Büro gekommen, da läutete ihr Handy, und zugleich sagte Ulla, Jonas Schumann habe eine Nachricht hinterlassen. Er würde sie gern heute noch treffen, weil er morgen abreisen müsse.
    »Ich hab ihn gerade am Ohr«, sagte Paula ihr lachend. Und zu ihm: »Wohin fliegst du denn?«
    »Über Frankfurt nach Afghanistan.«
    Paula überlegte schnell und entschied sich für eine Stunde Entspannung. »Ich könnte dich um acht im Kempinski abholen.«
    »Super, freut mich. Ich warte ab Viertel vor acht unten in der Halle.«
    »Schön, bis dahin.«
     
    Als sie ankam, sah sie ihn schon von der Schwingtür aus auf einem der Sofas sitzen. Er sprang auf und umarmte sie, als wolle er sie küssen, legte aber nur den Kopf schräg und lächelte sie strahlend an. »Wir können ein Picknick im Tiergarten machen, mit Mücken und Ameisen, oder auf mein Zimmer gehen, wo wir Musik hätten. Wo hast du dein Auto gelassen?«
    »Direkt vor der Tür - und habe dem Portier den Schlüssel gegeben.«
    »Das ist gut. Komm.« Er nahm ihre Hand und zog sie zum Fahrstuhl. »Du kannst jederzeit gehen, ohne dass ich sauer bin.«
    »Ich weiß«, sagte sie und lächelte.
    Sie hatte gehofft, dass sie nicht in einem kleinen Hotelzimmer landen würden, in dem das Bett den ganzen Platz einnimmt. Und tatsächlich hatte er auch ein Wohnzimmer. Er legte Marc Almond auf, eine Musik, die ihr gefiel.
    Er öffnete eine Flasche Champagner, füllte die Gläser und sagte: »Willkommen.« Sie stießen an. Dann zeigte er ihr ein paar Fotos von seiner Arbeit: Unterwegs im Sudan, im Flüchtlingslager Kalma, wo Ärzte der Welt medizinische Notversorgung für etwa 60 000 Menschen leisten - in Äthiopien, wo der Schwerpunkt auf der

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