Im Herzen Rein
sicher an denselben Ort gebracht wie Silvia Arndt. Aber wohin?
Paula nahm an, dass Ralf gekocht hatte, und beschloss, mit ihm zu essen, sich dann eine Stunde hinzulegen und anschließend noch einmal ins Büro zu fahren. Sie würde sich die Videoaufnahmen ungestört anschauen können, wenn niemand mehr im Büro war.
Bevor sie ging, ließ sie sich von den Technikern die Handhabung des Geräts erklären. Dann fragte sie Marius, ob er im Lindencafé noch etwas herausgefunden habe.
Er saß auf der Ecke des Schreibtisches, ließ ein Bein baumeln und sah sie erwartungsvoll an.
»Was ist?«, fragte sie.
»Ich habe etwas sehr Interessantes herausgefunden. Erzähl ich dir beim Essen, ich lade dich ein.«
»Gern, gute Idee, aber ein andermal.«
»Dir geht’s gut«, stellte er fest.
»Ja«, sagte sie. »Und was hast du herausgefunden?«
Er sah sie noch einen Moment schweigend an. »Erinnerst du dich an die Aussagen von Katharina und ihren Kollegen im Lindencafé? Sie haben doch diesen etwas kräftigen Typ beschrieben, der jeden Tag kam. Der mit dem Leberfleck auf der linken Wange.«
»Und was ist mit dem?«
»Ich hab ihn gefunden. Er wohnt im Clipper City Hotel um die Ecke vom Café.«
»War es nicht so, dass er nicht mehr im Café erschienen ist, als Johanna Frenzi freihatte?«
»Ja, das stimmt. Ich bin gleich ins Hotel rüber, habe ihn aber nicht angetroffen. Der Mann heißt Walter Kemper und hat das Zimmer nur noch bis morgen gebucht. Der Angestellte an der Rezeption hat mir gesagt, er müsste eigentlich da sein. Ich habe eine ganze Weile gewartet, aber er kam nicht. Als er schließlich in dem Zimmer nachgesehen hat, waren seine Sachen noch da.«
Das war eine gute Nachricht, und Paula war entschlossen, Kemper nicht abreisen zu lassen, ohne mit ihm ausgiebig gesprochen zu haben. »Fährst du heute Abend mit mir in das Hotel?«
Marius lächelte sie spöttisch an. »Statt essen?«
»Du kannst ja mitkommen. Ralf hat bestimmt gekocht«, sagte sie schmunzelnd.
Marius lehnte dankend ab. Er wollte dann lieber rüber ins KadeWe gehen.
Sie stand auf und griff nach ihrer Jacke, die auf dem Kühlschrank lag.
Marius war sofort da, um ihr behilflich zu sein. Er stand dicht hinter ihr und hielt die Leinenjacke, während sie in die Ärmel schlüpfte. Sie spürte, wie seine Finger ihren Rücken streiften. Sie hatte ein Gespür dafür, ob es absichtlich war oder zufällig - es war zufällig, doch selbst das war ihr zu nahe. Sie machte einen Schritt von ihm weg und knöpfte ihre Jacke zu.
»Ich rufe dich an, wenn ich Kemper erreicht habe«, sagte Marius betont sachlich.
Er war enttäuscht, dass sie nicht mit ihm essen ging, aber das war sein Problem.
Als Paula nach Hause kam, war Ralf nicht da. Normalerweise wäre das Essen fertig gewesen. Für ihre Figur war es besser, abends nichts mehr zu essen, aber er hatte jahrelang darauf bestanden, an dieser Gewohnheit festzuhalten. Sie ärgerte sich, dass er nicht einmal angerufen hatte. Dann hätte sie im Büro noch Videos angesehen, statt quer durch die Stadt nach Hause zu fahren und wieder zurück, um sich mit Marius zur Zeugenbefragung zu treffen. Nun war es sinnlos, noch mal ins Büro zu hetzen.
Aber eigentlich war sie froh, dass sie allein war. Sie gab Kasimir Futter und streichelte ihn beim Fressen, was er allerdings nicht gern hatte. Ohne innezuhalten, wich er immer wieder aus, sodass er mit dem Hinterteil langsam um den Napf herumging. Es amüsierte sie, ihn bei seinem gierigen Schlingen zu stören. Sie packte ihn, wollte ihn kraulen, aber er fauchte und wehrte sich. Also ließ sie ihn los, und er fraß sofort weiter.
Sie schickte Jonas in Gedanken einen Gruß. Er saß jetzt im Flugzeug nach Afghanistan. Dass sie nun, mit 39, ihre kindliche Verliebtheit mit dieser Begegnung abgeschlossen hatte, freute sie. Die Zeit bis zu Marius’ Anruf überbrückte sie, indem sie ihre Fußnägel lackierte. Als sie ihren Pinsel in den Nagellack tauchte, kam ihr die Barbiepuppe in den Sinn, und sie versuchte sich vorzustellen, wie der Täter mit demselben Lack, den er bei Silvia Arndt und Johanna Frenzi verwandt hatte, die Fußnägel der Puppe anmalte, dann mit der Barbie in einer Sporttasche ins Guggenheim fuhr, wo er auf Chris wartete und beobachtete, wie sie ihre Tasche im Fach 31 deponierte. Vermutlich hat er dann seine Tasche auch eingeschlossen und Chris weiterhin im Auge behalten, während die sich die Wölfe ansah und auf - ihn? - Heiliger wartete. Nachdem sie das
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