Im Herzen Rein
Guggenheim wieder verlassen hatte und das Fach frei war, muss er schnell seine Tasche geholt, die Barbie herausgenommen und in Chris’ Fach gesetzt haben. Und steckte den Schlüssel in seine Tasche. Das Fach war natürlich auf Fingerabdrücke und sonstige Spuren untersucht worden, aber er hatte so sauber wie auch sonst gearbeitet. Er hinterließ nur die Spuren, die er hinterlassen wollte.
Sie ärgerte sich, dass Chris ihr die Verabredung mit Heiliger verschwiegen hatte. In der Sitzung, als es um die Barbie gegangen war, hatte Paula ihr eine ziemliche Anspannung angemerkt, aber von ihrem Date mit Heiliger hatte sie erst im Café erzählt.
Chris’ Verdacht in Bezug auf Heiliger hatte sich damit verdichtet. Dennoch hatte Paula ein Problem: Während die Morde sehr raffiniert waren, erschien ihr die Aktion mit der Barbiepuppe ziemlich dilettantisch. Wenn Heiliger dahintersteckte, würde er sich doch nicht mit Chris zur gleichen Zeit und am selben Ort verabreden.
Wenn er es jedoch getan hatte, um den Kitzel für sich zu erhöhen, müsste er ja auf jeden Fall wieder Kontakt zu ihr aufnehmen, um zu überprüfen, wie sie darauf reagierte.
Paula saß mit angezogenem Bein auf dem Badezimmerhocker. Wenn Chris ihr noch mehr verheimlichen würde als die Verabredung mit Heiliger, könnte sie sich in ziemliche Gefahr bringen.
Als Paula in die Küche ging und den Kühlschrank öffnete, klingelte ihr Handy. Marius fragte, wann sie am Clipper City Hotel sein könne.
31
Zwanzig Minuten später klopften sie an die Zimmertür. Der Mann mit dem Leberfleck unter dem linken Auge öffnete. Er war Mitte vierzig, trug einen sandfarbenen Cordanzug, ein hellblaues Hemd und eine rot-blau gestreifte Krawatte.
Marius hatte den Mann an der Rezeption überzeugt, Walter Kemper nicht über ihren Besuch zu informieren.
Paula hatte bemerkt, dass er sich noch beim Öffnen der Tür schnell das Jackett übergezogen hatte. Das war der Typ, der sich Ziele steckte, Planungen einhielt und Zwischenziele abhakte. »Herr Kemper?«, fragte Paula.
Er zog die Augenbrauen hoch.
Sie hielt ihm ihren Ausweis hin. »Ich bin Hauptkommissarin Zeisberg, Leiterin der neunten Mordkommission, und das ist mein Kollege, Oberkommissar Seefeld. Sie sind uns als Zeuge genannt worden, der uns sagen kann, wo und wann er Frau Arndt und Frau Frenzi zuletzt gesehen hat.«
»Ich kenne keine Frau Arndt.«
Paula schenkte ihm ein charmantes Lächeln und fragte, ob sie einen Moment hereinkommen dürften.
Kemper öffnete die Tür weiter und ließ sie eintreten. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und er schaute sie erwartungsvoll an. Es gab zwei Sessel und einen Schreibtischstuhl, aber er bot ihnen keinen Platz an. Er war so überrascht, als Paula bestimmt auf einen der beiden Sessel wies, dass er sich hinsetzte und auch nicht protestierte, als sie in dem anderen Sessel am Rauchtisch Platz nahm und Marius sich auf dem Bett niederließ, auf dem aufgeschlagene Akten lagen.
Paula war klar, dass der Erfolg ihres Besuches davon abhing, ob sie imstande war, einen Kontakt zu Kemper herzustellen. Er wirkte selbstsicher und verschlossen. Sie hielt es für zweckmäßig, ihn gleich zu Anfang in die Knie zu zwingen. Dabei vertraute sie auf ihre bewährte Taktik und schwieg.
Sie wusste, dass Kemper vier Tage lang vor Johannas freien Tagen täglich ins Lindencafé gegangen war und immer wieder versucht hatte, Johanna in Gespräche zu verwickeln. Johanna Frenzi hatte das abgeblockt, und er bemühte sich dann, von ihren Kollegen Informationen über sie zu bekommen. Obwohl er auch da abgeblitzt war, hatte er immer bis zum Schluss ausgehalten und dann draußen auf sie gewartet. Deswegen hatte sie stets zusammen mit ihren Kollegen das Lokal verlassen. Nur am Donnerstag nicht. Dieser 21. September war der letzte Tag, an dem sie gesehen worden war. An diesem Tag hatte sie ihre Kollegin Katharina gebeten, draußen nachzuschauen, ob die Luft rein war. Vorher hatte sie sich im Waschraum umgezogen: eine rote Bluse mit einer roten Holzperlenkette, einen grauen Rock, Nylonstrümpfe und die schwarzen Schuhe mit Absatz und roten Punkten. »Jetzt siehst du noch verführerischer aus«, hatte Katharina kritisch angemerkt und damit gemeint, dass man als Frau in einer solchen Situation besser in Sack und Asche ginge. Nach der Warnung hatte Johanna noch eine Weile gewartet, um Kemper auf jeden Fall zu entgehen.
Das waren erhebliche Vorsichtsmaßnahmen, und jetzt saß der Bursche vor Paula, der der Anlass
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