Im Himmel ist die Hölle los
das«, sagte sie schließlich so ruhig wie möglich. »Ich habe eine Idee.«
Zum Glück lag das Büro des Bürgermeisters im obersten Stockwerk des Rathauses. Hätte es sich woanders befunden, wäre es – mit ernsthaften Folgen für das reibungslose und wirksame Funktionieren der Stadtverwaltung – überflutet worden. Wie die Dinge lagen, war das Nervenzentrum des Verwaltungsapparats unversehrt und funktionstüchtig geblieben, was den Umstand, daß der Rest davon fast einen Meter unter Wasserschlamm stand, bis zu einem gewissen Grad wettmachte. Der Bürgermeister, ein Pragmatiker, der sich im Wahlkampf das Image eines besonnenen Ehrenmanns mit seelsorgerischen Ambitionen gegeben hatte, war wild entschlossen, die durch die Überschwemmung gestellte Herausforderung anzunehmen, indem er sich einen Hut mit ein paar darin steckenden Angelhaken ausgeliehen und ein Schild an die Türklinke gehängt hatte, auf dem ›Bin beim Angeln‹ stand.
»Herein«, sagte er auf das Türklopfen hin. Dann runzelte er die Stirn. »Wie sind Sie hier überhaupt hereingekommen?« fragte er.
Jane trat ein und scheuchte mit der Handtasche ein neugieriges Krokodil aus dem Zimmer. Dann schloß sie die Tür hinter sich, lächelte und setzte sich. »Ganz einfach«, antwortete sie. »Zu Fuß.«
Der Bürgermeister wollte das gerade heftig bestreiten, als sein Blick auf das leuchtendblaue Abzeichen fiel. Aus einem unerfindlichen Grund, den sein Gehirn in der vorhandenen Zeit nicht entsprechend verarbeiten konnte, schien das Abzeichen alles zu erklären.
»Nun ja, jedenfalls haben wir hier ein ganz schönes Problem am Hals, wie?« eröffnete er das Gespräch.
Jane neigte den Kopf zur Seite und warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Sicher, so könnte man das auch sehen«, pflichtete sie ihm vorbehaltlich bei. »Ich selbst würde es allerdings weniger als ein Problem, sondern vielmehr als eine günstige Gelegenheit betrachten, aber Sie kennen ja die Redensart: Nur weil man dieselbe Sprache spricht, muß man noch lange nicht derselben Meinung sein.«
Einen Augenblick lang versuchte der Bürgermeister, aus dieser Äußerung schlau zu werden, doch ging sie über seinen geistigen Horizont hinaus, und er blickte statt dessen auf das Abzeichen. In das Abzeichen hatte er Vertrauen.
»Eine günstige Gelegenheit, meinen Sie?« hakte er ungläubig nach.
»Finden Sie nicht?« Jane lächelte. »Millionen Kubiktonnen mineralreicher Schwemmsand, direkt vor Ihrer Türschwelle abgelagert … ganz zu schweigen vom Fensterbrett«, fügte sie schmunzelnd hinzu. »Und das zu einer Zeit, da die Rohstoffpreise, insbesondere die von Phosphaten, auf dem Weltmarkt aufgrund der Lage im Mittleren Osten ganz kurz vor einer neuen Rekordhöhe stehen.« Sie zwinkerte dem Bürgermeister schelmisch zu. »Ich glaube, da oben gibt es jemanden, der Sie liebt, wie?«
»Ich … ähm …«, stammelte der Bürgermeister verlegen und verspürte dabei ein prickelndes Jucken auf dem Rücken. »Mineralreich, sagten Sie?«
»Sehr mineralreich sogar«, bekräftigte Jane voller Überzeugung. »Pumpen Sie das Wasser aus der Stadt, transportieren Sie den Schlamm ab und verkaufen Sie ihn, so einfach ist das. Ich schlage vor, Sie bieten ihn auf dem freien Markt an.« Sie stand auf und strich sich den Rock glatt. »Dann verwenden Sie den Erlös für den Wiederaufbau der Stadt, verstehen Sie? Und einem so offensichtlich intelligenten und feinfühligen Mann wie Ihnen muß ich ja wohl nicht erst erzählen, welch wunderbare Gelegenheit das wäre, alle diese phantastischen Projekte wie die Beseitigung der Slums und den Ausbau der Highways fortzuführen, von denen Sie die ganzen Jahre über gesprochen haben. Wissen Sie, beweisen Sie Ihren Wählern, daß Sie endlich mal ein Mann sind, der zu seinem Wort steht. Aber ich nehme an«, fügte sie mit betörender Stimme hinzu, »die ganzen Einzelheiten kann ich Ihnen überlassen.«
Auf dem Weg nach draußen – beim Gehen stachen ihre hohen Absätze sanft auf die Wasseroberfläche ein – begegnete Jane dem Vorarbeiter. Er trug in beiden Händen einen vollen Eimer Wasser und stapfte langsam in Richtung Osten.
»Damit brauchen Sie sich jetzt nicht mehr abzugeben«, teilte sie ihm vergnügt mit. »Ich habe die Sache geregelt. Wir sollten jetzt besser gehen.«
»Wie meinen Sie das: geregelt?« wollte der Vorarbeiter wissen. »Ich meine, wer soll denn dieses Durcheinander aufräumen?«
Mit aufgesperrtem Maul watschelte ein Krokodil von der
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