Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
große Name noch.
    Schließlich ist es unbedingt erforderlich, daß es einen Herrscher gibt, denn ohne ihn könnte nicht der kleinste Handschlag getan werden. Wie der Titel an sich schon nahelegt, stellt dieses Amt die Vereinigung von geistlicher und weltlicher Macht dar, und der Herrscher selbst verkörpert sozusagen die Zündkerze, die den göttlichen Funken auf den weltlichen Zylinder der Menschheit überträgt. Seine Zustimmung (obgleich von seinen Stellvertretern in seinem Namen aufgrund einer elfhundert Jahre alten Vollmacht erteilt, die Karl der Große irrtümlich unterzeichnete, weil er dachte, er gäbe jemandem ein Autogramm) ist Voraussetzung für die Ratifizierung eines jeden Gesetzes, sei es menschlich oder übermenschlich. Doch jahrhundertelange Erfahrung hat den Wahlausschuß gelehrt, daß der Herrscher, sollte er jemals Kenntnis davon erhalten, wer er in Wirklichkeit ist, dazu neigt, sich einzumischen, was zumeist unabsehbare Folgen hat. Deshalb herrscht die allgemeine Ansicht vor, Seine Majestät diesbezüglich lieber nicht in Kenntnis zu setzen.
    Abgesehen von seinem praktisch unverfälschten Habsburger Blut wurde Rocco VI. wegen seiner Weisheit, seiner Toleranz und seines weitreichenden Verständnisses aktueller Fragen ausgewählt, und weil der momentane Wahlausschuß (der aus den getreuen Ratgebern und Stellvertretern des Herrschers besteht) seine Geschäfte gern bei Arbeitsessen abwickelt. Ein wirklich großer Herrscher, so argumentieren die Ausschußmitglieder, sollte unbedingt wissen, wie man mit Anschovis umzugehen hat.
    Die Tagesordnung für die heutige Kabinettssitzung war kurz, sogar noch kürzer als gewöhnlich.
    »Vorweg nehme ich eine Minestrone«, sagte der Großkardinal. »Phil, du möchtest den Insalata di mare Adriatica. Tony, du hast dich ja sofort für die Fischsuppe entschieden, und Mario will die Artischocken probieren. Die sind doch heute frisch, Rosa, oder?«
    »Die sind immer frisch«, antwortete die Schwester des Herrschers. »Seit wie vielen Jahren kommt ihr Kerle eigentlich hierher? Habt ihr auch nur ein einziges Mal erlebt, daß die Artischocken nicht frisch waren?«
    Der Großkardinal versicherte ihr, daß er nur Spaß gemacht habe, und fuhr fort: »Danach hätte ich gern das Kalbfleisch nach sardischer Art und zweimal Seezunge. Mario, nimmst du Huhn Messina oder Kalbfleisch?«
    »Ich nehme auch das Kalbfleisch«, entschied sich der Pfalzgraf. »Hühner laufen bei uns zu Hause genug nun.«
    Als sie alle mit dem Essen fertig waren, ihren Kaffee getrunken und sich die Zahnlücken mit Zahnstochern gereinigt hatten – natürlich mit den richtigen aus Holz und nicht mit diesen blöden Plastikdingern, die man heutzutage sonst überall vorgesetzt bekommt –, wandte sich das Kabinett dem letzten Punkt der Tagesordnung zu. Damit war Mario an der Reihe.
    »Gibt es noch irgendwelche Punkte zu klären?« fragte er in die Runde.
    Der Großkardinal blickte auf die Uhr. »Falls es welche gibt, müssen wir die auf die nächste Zusammenkunft verschieben«, stellte er mit Bedauern fest, »denn in einer halben Stunde fängt das Spiel an, und ich muß vorher noch in die Drogerie. Nächsten Dienstag?«
    Die übrigen Ausschußmitglieder bestätigten, daß ihnen der nächste Dienstag sehr gelegen komme. Dann nahm der Schatzkanzler gemäß einer von den Vorfahren überlieferten Tradition vier Zahnstocher aus dem Glas, von denen er einen zerbrach, und die Mitglieder des Ausschusses losten aus, wer von ihnen die Rechnung zu bezahlen hatte.

 
     
    »Danke schön«, sagte der Personalchef vorsichtig. »Das ist wirklich sehr … ähm …«
    Die Sekretärin warf ihm ein frostiges Lächeln zu, kehrte an ihren Schreibtisch zurück und ließ den Personalchef mit äußerst gemischten Gefühlen zurück. Einerseits war es rührend, daß sie an seinen Geburtstag gedacht hatte; andererseits war es äußerst unerfreulich, daß sie ein Geschenk ausgesucht hatte, das noch schwieriger zu identifizieren war als gewöhnlich. Wenn er von der Annahme ausging, daß es sich um einen praktischen Briefbeschwerer handelte und er das Geschenk auf dem Schreibtisch liegen ließ, dann erwiese es sich höchstwahrscheinlich als ein zweckdienliches Küchengerät und würde durch sein fortwährendes Herumliegen im Büro ein ewiges Ärgernis darstellen. Falls er es jedoch mit nach Hause nahm und es in den großen Karton im Schrank unter der Treppe legte, würde es sich zweifellos als praktischer Briefbeschwerer entpuppen, und

Weitere Kostenlose Bücher