Im Informationszeitalter
kann. Es ist grausam, wenn man liest, daß die Astronauten schon auf der Nahe der Erde gelegenen Weltraumstation wegen der Strahlung sehr schnell altern. Das wurde sogar an Ratten erprobt.
Bisher hat man hauptsächlich von den vielen Dollars gesprochen, die eine Fahrt zum Mars kosten würde. Es ist ja Mode geworden, alles nur in Geld zu berechnen. Wenn etwas eine Milliarde kostet, ist es schon ein schreckliches Hindernis. Aber es gibt eben auch ganz andere, nicht monetäre Probleme, die eine solche Fahrt unmöglich werden lassen. Es wird immer waghalsige Menschen geben, denen es nichts
ausmacht, wenn sie schnell alt und bald sterben werden, und die dann solche Fahrten ausführen werden. Die durch irdische Schwerkraft gestalteten Wesen verlieren bei einem langen Aufenthalt im schwerelosen Raum die Knochensubstanz, die Knochen werden brüchig, die Muskeln leiden. Man konnte schon sehen, daß der auf die Erde zurückkehrende Astronaut auf einer Bahre getragen wurde, weil er nicht mehr stehen konnte. Das ist traurig, aber wir sind nun einmal sehr stark erdgebunden. Würden auf anderen Planeten andere Wesen entstehen, so müssen sie keineswegs uns Menschen gleichen.
Sie sagten, daß Sie bereits seit einigen Jahren keine Science-Fiction-Erzählungen mehr schreiben. Man kann sich zwar alles Mögliche vorstellen, aber man weiß sehr wenig und meistens ist es anders, als man sich das vorgestellt hat. Ist das ein Grund, warum Sie keine Geschichten mehr schreiben?
Stanislaw Lem: Nein, ich habe unlängst wieder für eine Zeitung eine Science-Fiction-Geschichte geschrieben. Aber es macht mir keinen großen Spaß mehr. Ich habe auch genug geschrieben. 40 Bücher reichen. Ich habe mich jetzt anders orientiert. In Polen habe ich einen Bestseller über Informatik geschrieben. Überhaupt habe ich immer das geschrieben, was mich zu einer bestimmten Zeit besonders interessiert hat. Für eine polnische Wochenzeitschrift schreibe ich jetzt kurze Artikel über die aktuelle politische Lage der Welt. Das konnte ich während der Zeit der sogenannten Volksrepublik Polen nicht machen, weil man damals nicht alles schreiben durfte, was man wollte. Wenn man heute so eine Freiheit hat, soll man sie auch nutzen. Es gibt auf der Welt recht interessante Geschehnisse, besonders das kommende Informationszeitalter, über die ich gerne als hausbackener Informatiker und nicht mehr als Poet schreiben will.
Wird denn das Informationszeitalter tatsächlich unsere Welt so tiefgreifend verändern, wie viele glauben? Man spricht von der digitalen Revolution, die entweder alles besser macht oder uns der Katastrophe näherbringt. Ist das nicht auch nur eine Wunschvorstellung, die vielleicht durch das Nahen der Jahrtausendwende gefördert wird.
Stanislaw Lem: Seit dem Neolithikum hat jede neue Technologie eine positive und negative
Auswirkung für die Menschen gehabt. Es gibt keine Technologie, die nur gut für die Menschen ist. Sogar mit einem Brotmesser kann man einem anderen Menschen den Hals abschneiden. Meist kann man nicht sagen, was positiv und was negativ ist. Von der nuklearen Energie hat man sich viel versprochen, aber sie hat sich als recht peinliche Geschichte erwiesen. Man muß sich nur die Geschehnisse um den Castor-Transport oder
Tschernobyl ansehen, um zu verstehen, was nukleare Energie bedeutet. Jetzt ist es schon wieder Mode, gegenüber dem Internet oder World Wide Web Enthusiasmus entgegen zu bringen. Aus meiner Intuition heraus meine ich, daß uns das Internet mehr schaden als Profit bringen wird. Es gibt beispielsweise das deutsche Sprichwort: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Wahrscheinlich hat es Greuel und Völkermorde
immer gegeben. Nur wußten die Menschen in früheren Zeitaltern nichts davon. Was wußten die Menschen in Europa schon im 16. Jahrhundert darüber, was im Fernen Osten geschieht? Gar nichts. Jetzt weiß man mit der Geschwindigkeit des Lichtes, mit den elektromagnetischen Wellen,
alles. Man hat beispielsweise eine solche Satellitenschüssel auf dem Dach, mit der man viele Sender aus der ganzen Welt empfangen kann.
Benutzen Sie eigentlich das Internet?
Stanislaw Lem: Nein, ich weigere mich, es zu benutzen. Man hat versucht, mich gewissermaßen mit einer großen Schachtel von Schokoladenbonbons dazu zu bringen, einen Zugang einzurichten. Ich hätte das ganz umsonst erhalten, aber ich will nicht. Ich habe hier so viele wissenschaftliche Bücher und Journale, die ich noch nicht lesen
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