Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
erwartet, obwohl es, wenn man die weniger schönen Seiten der menschlichen Natur kennt, leichter ist, an die totale Technisierung der Dienstleistungen als an die totale Ethisierung zu glauben.
    Teil II:
    Interviews und Lebenslauf
    Wir stehen am Anfang einer Epoche, vor der mir graut.
    Stanislaw Lem im Gespräch mit Florian Rötzer 12.09.1996
    Über das Internet, den Umbau des Menschen und die Technoevolution
    Stanislaw Lem ist am 12. September 75 Jahre geworden. Er ist einer der erfolgreichsten und bekanntesten Science-Fiction-Autoren und zugleich einer der größten Kritiker dieser Literaturgattung. Schon immer eher ein Wissenschaftsphilosoph, der seine Überlegungen in das Gewand von Erzählungen hüllte, interessierte er sich immer für die Entwicklung der Wissenschaften und der Technik mit ihren sozialen Folgen. Die Lust am Fabulieren ist ihm offenbar vergangen, das Irdische und Politische wichtiger geworden, seine Skepsis und sein Pessimismus größer. Zur Zeit beherrscht ihn das Internet - auf einen Zugang für sich selbst aber verzichtet er.
    Bekannt ist Lem mit seinen Science-Fiction-Büchern geworden, doch mit der Gattung hat er seine Schwierigkeiten. Bekanntlich liest er kaum die Werke anderer Kollegen. Immer wollte er dort sein, wo sich für ihn die brennenden Fragen der Gegenwart befinden, denen er sich oft spielerisch, mit hintergründigem Witz und erzählter Philosophie nähert, bei aller Phantastik aber nie wirklich den Boden des Denkmöglichen verläßt. Schon lange hat er das Erzählen eingestellt, auch die Futurologie interessiert ihn nicht mehr. Lieber kondensiert er seine Gedanken in Essays, die wissenschaftliche und politische Fragen behandeln, mehr von Skepsis als von
    303
    Enthusiasmus gegenüber dem Neuen zeugen, gleichwohl aber formal experimentieren, wenn er etwa Einleitungen zu fiktiven Büchern, Rezensionen nie erschienener Werke, über die evolutionäre Weltanschauung oder über die Welt aus der Perspektive der Statistik schreibt.
    Vielleicht ist der Rückzug aus der Zukunft eine Frage des Alters, bei dem die Erdenschwere und die Weisheit wächst, vielleicht ist die Gegenwart zu voll an Science-Fiction, vielleicht überschlagen sich Innovationen oder Ankündigungen dessen, was gleich möglich sein wird, zu schnell, als daß Exkursionen in die Zukunft noch reizvoll erscheinen. Vielleicht ist die Zuwendung zu ganz praktischen und aktuellen wissenschaftlichen und politischen Fragen aber auch eine Folge des Zusammenbruchs des kommunistischen Regimes. Der Zensur konnte man mit Fabeln und dem Ausflug in die Zukunft besser entgehen, seine Gedanken dort sicherer verstecken und zugleich zum Ausdruck bringen. Vielleicht aber sind es die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in Polen, die Lem nicht von der mittlerweile schon zum Markenzeichen gewordenen digitalen Revolution schwärmen lassen, auch wenn sie vielleicht irgendwie damit verbunden sein mögen, sondern ihn zur Auseinandersetzung mit der Gegenwart auffordern. Wie auch immer: Stanislaw Lem, der 75jährige, sprudelt weiter vor Ideen, seine Neugier ist ungebremst, sein moralischer Antrieb ungebrochen, seine Souveränität, einfach das zu machen, was er will, beeindruckend.
    Warum schreiben Sie keine Science Fiction mehr? Stanislaw Lem: Meine Laufbahn als Autor von Science-Fiction-Erzählungen ist schon vorbei, aber ich hatte immer das Bewußtsein, daß man nur über das schreiben und reden darf, was von der
    menschlichen Vorstellungskraft verstanden werden kann. Es wäre ganz leicht, etwas total Unverständliches zu schreiben. Das ist auch vielen postmodernen Autoren sehr lieb und geschieht nicht nur in der Science-Fiction. Die Mannigfaltigkeit im Kosmos muß weit größer sein, als wir imstande sind, sie zu verstehen und zu studieren. An einem Beispiel kann ich das besser erklären. Das Spektrum der elektromagnetischen Wellen ist gewaltig. Es reicht von Gamma- über Röntgen oder Infrarotstrahlen bis zu jenen, die wir mit unseren Augen sehen können. Das ist aber nur ein winziger Ausschnitt des elektromagnetischen Wellenspektrums.
    Mit den Weltraumfahrten ist das ähnlich. Erst jetzt beginnt man allmählich darüber zu sprechen, daß es nicht allein die Barriere der Kostenentwicklung ist, die uns an Fahrten zu anderen Planeten oder an einem langen Aufenthalt in einer orbitalen Station hindert. Es ist einfach so, daß der Mensch ein auf der Erde durch und durch gestaltetes Lebewesen ist, das im schwerelosen Raum nicht länger leben

Weitere Kostenlose Bücher