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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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konnte. Ich fürchte mich vor der sogenannten informatischen Sintflut. Durch das Internet werden gewisse Pfeiler des Kapitalismus erodieren. Das Copyright ist bereits jetzt schon in Gefahr geraten. Es ist fast unmöglich, ein vollkommenes Eigentum des Copyright zu garantieren. Und dann gibt es beispielsweise diese pädophilen Dinge im Internet. Man versucht, Schranken einzurichten, um dies unterbinden, aber dann stellt sich heraus, daß diese Inhalte dann über andere Länder ins Internet kommen. Das ganze Netz wurde ja mit der Absicht entworfen, um eine zentrale regulative und kontrollierende Funktion zu umgehen, damit eventuelle Angriffe etwa durch Atombomben nicht das ganze Netz zerstören können. Jetzt gibt es zwar den Ost-West-Konflikt nicht mehr, dafür aber haben wir das Netz und muß man sich Mittel ausdenken, wie man es kontrollieren kann. Die Eltern sollen beispielsweise bestimmte Zugangsbeschränkungen für die Kinder einbauen. Aber warum sollten die Eltern zu Wächtern werden, die immer mit diesen technischen Mitteln hantieren? Als erstes werden die Kinder natürlich versuchen, das zu umgehen und kurz zu schließen.
    Bekanntlich kann ein zehn- oder zwölfjähriger Bursche besser mit einem Videogerät oder einem Computer umgehen als die meisten Erwachsenen. Das sind Probleme, die nicht bewältigt wurden, und ich weiß auch nicht, wie man sie bewältigen kann, um so mehr das Barbarische gegenwärtig weiter zunimmt. Es gibt immer mehr Verbrechen. Lange vor dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kind von Lindbergh entführt. Das erschütterte damals die ganze Welt. Heute gibt es schon so viele Entführungen, daß man sie alle schon gar nicht mehr in den Nachrichten nennen kann. Es gibt diese Eskalation der Gewalt. Das Internet wird dies weiter verstärken. Wenn man sich als ruhiger Mensch wie ich vor den Fernseher setzt, Erdnüsse ißt und ein Bier aus der Dose trinkt und dann bald 400 Programme zur Auswahl hat, kann man lernen, wie man einen Schalldämpfer auf eine Pistole setzt, wie einfach es ist, andere Leute umzubringen, und warum man dies macht - wegen der Diamanten, wegen Heroin oder weil es um eine Erbschaft geht. Die ganze Palette des Verbrechens wird uns als Instruktion geboten. Es gibt viele negative Aspekte der Medien und des Internet.
    Andererseits gilt das Internet, weil es nicht von einzelnen Regierungen und Staaten regulierbar ist, als ein Instrument zur Demokratisierung und, im Gegensatz zu den herkömmlichen Massenmedien, zur Schaffung einer weltweiten Öffentlichkeit auch für einzelne.
    Stanislaw Lem:     Das    ist kein Mittel der
    Demokratisierung. Wenn man nach China sieht, das letzte große kommunistische Imperium auf der Erde, wird die gesamte Kommunikation streng kontrolliert. Wenn man die Freiheiten erwürgt, die
    das Internet    eröffnet,    errichtet man    sicher
    gleichzeitig große Hindernisse auf dem Weg zur freien Kommunikation. Dann gibt es das ganze Gerede über die Pornographie. Ein pornographisches Werk ist beispielsweise nicht nur das Alte Testament oder jedes Buch über Gynäkologie.    Ich    sehe    keine einzige    klare
    Methode, wie    sich    so etwas eindämmen    lassen
    könnte, ohne    daß    dies    vielen Menschen, die
    tatsächlich Informationen benötigen, schaden würde. Das ist alles sehr kompliziert und hat gar nichts mit dem Leben auf dem Mars zu tun.
    Es werden ja von den Angehörigen der Cyberkultur große Hoffnungen auf das Internet gesetzt, aus dem sich eine kollektive Intelligenz entwickeln könnte. Man vergleicht es mit einem globalen Gehirn, weil es nicht nur ungeheuer viel Informationen auf ihm gibt, sondern diese auch durch viele Links oder Assoziationen verbunden sind. Wenn es zunächst durch die Benutzer und dann durch virtuelle Agenten und Programme auch intelligent wird und lernen kann, würde sich vielleicht ein globales Gehirn herausbilden, dessen Teile dann unter anderem aus Menschen bestehen. Verbunden damit ist natürlich oft der Glaube, daß die Menschen sich dadurch vereinen werden.
    Stanislaw Lem: Mein Gott, wir sind ja nicht kleine Kinder. Als Sie mir die Vorstellungen über das globale Gehirn erzählten, dachte ich an das Verhältnis der Russen zu den Tschetschenen. Das Schicksal der Tschetschenen gleicht dem der Polen vor 100 Jahren. Im Verhältnis zu Tschetschenien ist Rußland ein enormes Land. Was hat das Internet, was hat das Fernsehen damit zu tun? Das einzige ist, daß es

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