Im Informationszeitalter
halluzinatorische Erlebnisse des Erzählers in Lems Werk “Der Futurologische Kongreß “). Dabei sollte nicht außer acht gelassen werden, daß neben der Rationalität die Handlung zusätzlich über emotionale Faktoren bestimmt wird, vergleichbar mit jeder beliebigen Erzählung, die nicht aus dem SF-Bereich stammt.
Die Plausibilität der Erklärung ist ein entscheidendes Kriterium für die Qualität eines SF-Romans oder einer Kurzgeschichte, auch bezogen auf ein mögliches Engagement. Die Ausnahme davon bilden die
satirischen Darstellungen, in denen das rationale Element bewußt auf den Kopf gestellt wird.
Neben dem Element des Abenteuers und der
Rationalität ist das dritte prägende Element der SF die Darstellung. Eine Besonderheit ist, daß die SF-
Erzähler im Prinzip keine anderen Formen der
Kurzgeschichte oder des Romans benutzen, als Erzähler, die mit unserem Realitätsbegriff übereinstimmende Begebenheiten fingieren. Das SF-Verfahren ist seit Verne und Wells, “Unglaubliches plausibel zu erklären” (Hienger 1972, S. 16), obwohl nicht allein dadurch aus einer Erzählung eine SF-Erzählung wird.
Das Unglaubliche läßt sich in einem relativ klar eingrenzbaren Fundus von Motiven und Requisiten wiederfinden (vgl.: 2. SF: Entwicklung, Spielregeln, Motive), entscheidend ist die Art und Weise, wie es dem Leser präsentiert wird. Der Begriff “Engagierte SF” ist so weit gefaßt, daß er auch das künstlerische Spiel mit der Wirklichkeit als Engagement umfaßt. Das Engagement ist also nicht so eng zu verstehen, daß es sich auf das didaktische Moment konzentriert, daß eine “Botschaft”, die über das SF-Modell transportiert wird, das literarische Spiel in den Hintergrund drängt 2 . Die Didaktik wird auf einer tieferen, verborgenen Ebene durch einen Mechanismus vermittelt, der auf “Lernen durch Analogien” basiert, eine Methode, die in jüngster Zeit in der Gedächtnis-, Lern- und Denkpsychologie starke Beachtung findet. Das Lernen durch Analogien leitet sich von der Annahme kognitiver Schemata ab, die durch das Erkennen verwandter Strukturen übertragen, ausgebaut und umstrukturiert werden können:
“Die Schemata des vorhandenen Wissens dienen dabei als Schablonen, die die Elemente des neuen Wissens provisorisch aufnehmen und ihnen teilweise die Struktur des alten Wissens aufprägen. Dadurch entstehen a priori Zusammenhänge, die Ausgangspunkt für weitergehende korrigierende, differenzierende oder integrierende Verarbeitungsprozesse sein können.” (Rüppell 1991, S. 13)
Die bekannten “Aha”-Erlebnisse (jemand erkennt: “Das ist ja genau wie…”) gehen meist auf die erfolgreiche Umgestaltung eines Schemas zurück. Die Gattung SF ist besonders dafür geeignet, Modellstrukturen zu entwerfen, ohne daß die Variabeln, die ein solches Beziehungsnetz enthält, eindeutig definiert werden müssen (jeder hat ein Konzept, wie er sich gegenüber einem “Fremden” verhält, doch wie reagiert man bei der Begegnung mit einem “Alien”?). Ein eigenes Kapitel über die Didaktik der SF hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt, doch sei verwiesen auf die Kapitel 7.1. bis 7.4., in denen Konstruktion und Intention von Modellen exemplarisch anhand der besprochenen Werke nachvollzogen werden wird.
Neben einem Engagement für die spezifisch literarische Seite der Gattung, das bei Lem ausgeprägt, bei Amery aber nur andeutungsweise vorhanden ist, wurden mit diesen beiden Autoren bewußt solche ausgesucht, bei denen sich hinter dem künstlerischspielerischen merklich etwas wie eine “Botschaft” 3 verbirgt. Den Rückschluß auf diese “Botschaft” erlaubt bei beiden Autoren die die belletristischen Werke begleitenden diskursiven Schriften, zusätzlich aber auch ihr jeweiliges, auch außerliterarisches Engagement in Politik und Wissenschaft. Daher sollen die Werke von Carl Amery und Stanislaw Lem zusätzlich auf die bestimmten Kriterien hin untersucht werden, die auf dieses “Engagement 2. Ordnung”, das über die SF-Erzählung hinaus wieder auf die Wirklichkeit verweist, referieren, auch wenn dieser Arbeit die Gefahr droht, sich vom Allgemeinen (der Untersuchung der Möglichkeiten der SF) im sehr Speziellen zu verlieren.
Abgesehen von der unterschiedlichen literarischen Gestaltung lassen sich bei beiden Autoren unterschiedliche philosophische Positionen extrahieren, die zunächst auf eine umfassende Kulturkritik, aber auch auf eine Untersuchung
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