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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Bewußtseins” (Schulz 1986, S. 84) angestrebt wird.
    Krysmanski plaziert den utopischen Roman zwischen Literatur und Sozialwissenschaften. Damit funktionalisiert er die Gattung insoweit, daß es seiner eigenen Forderung von der Freiheit des Spiels entgegenwirkt (vgl.: Krysmanski 1963, S. 136/137), denn die Interdisziplinarität in SF hat ein viel größeres Gewicht als er beschreibt, denn “Science” kann sich ebensogut auf historische und kybernetische Denkspiele beziehen.
    Von einem weniger beschränkten SF-Begriff ausgehend konstatiert Krymanski ebenfalls einen (geschichtlich bedingten) Verlust des teleologischen Prinzips der Utopie; der Realisierungsanspruch der traditionellen Utopie existiert nicht mehr.
    “Die Endlichkeit, das teleologische Prinzip, ist in diesem Prinzip aufgelöst: die ‘unendliche Möglichkeit’ (Jonas) der Zwecke tritt in ihr Recht (Krysmanski 1963, S. 115) und: “Doch der Wert des utopischen Romans liegt gerade darin, daß er nicht ‘politisch’ im enthusiastischen Sinne des Wortes wurde, und daß er sich weigerte, Konzessionen an irgendeine ‘Verwirklichbarkeit’ zu machen. Mit seiner Denkweise bewahrt er sich die Chance der Loslösung von der sozialen Wirklichkeit, um mit ihren Elementen ‘nach Belieben’ spielen zu können.” (Krysmanski 1963, S. 120)
    Krysmanski entdeckt sehr früh das Spielelement als Möglichkeit der Erweiterung der SF-Perspektiven. Schwonke und Krysmanski stellen beide die SF in die utopische Tradition. Krysmanski spricht (ähnlich wie Lem) von der Phantasie als nutzbarer Kraft, in der man durch das “fiktive Modell” die Möglichkeit einer kommenden Wirklichkeit erkennen kann (vgl.: Krysmanski in: Barmeyer 1972, S. 47-56). Doch daß sich das Bewußtsein tatsächlich auf diese Weise steigern läßt, wird nicht nur von entschiedenen Gegnern bezweifelt: “Eigentümlich geschichtslos, dem Geist der Utopie nicht weniger fremd als dem Geist der Tradition, ist diese Literatur, die von nichts anderem erzählt, als von großen Veränderungen.” urteilt Hienger (Hienger 1972, S. 241) Diese Kritik bezieht sich auf die Praxis, Veränderungen um der Veränderung willen einzuführen und sich der Begeisterung darüber hinzugeben, die Zukunft mittels der eigenen Phantasie (die sich in solchen Fällen häufig als sehr mager erweist) zu gestalten. Die Möglichkeit des “leeren Spiels” wird in diesem Kapitel noch besprochen werden.
    Manfred Nagl, der allerdings vorwiegend den Aspekt der SF als Massenliteratur untersucht, die in Deutschland vornehmlich durch “Perry Rhodan ” repräsentiert wird, geht in seiner Kritik noch einen Schritt weiter. Nach Nagl war SF nach dem II. Weltkrieg ein Mittel über das Geschehene hinwegzutrösten und gleichzeitig eine Möglichkeit des Transportes faschistoider Ideen:
    “Martin Schwonke setzte voraus, daß es zumindest der angloamerikanischen Science Fiction um ernsthafte und kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Gesellschaftsproblemen gehe. Zu seiner Verwunderung mußte er aber feststellen, daß Science Fiction und Gegenutopie … den Weltkrieg erstaunlich schnell vergessen haben. Diese Beobachtung gilt auch für den deutschsprachigen Science Fiction, und sie wird verständlicher, wenn man davon ausgeht, daß gerade die Bagatellisierung und Rechtfertigung von Kriegen, die Entlastung von Kriegsschuld und Verantwortung zu den eigentümlichen Funktionen der Science Fiction gehört.” (Nagl 1972, S. 195)
    Nicht als die Erweiterung des Bewußtseins, nicht einmal als literarisches Spiel will Nagl die SF gelten lassen:    sie wird bei ihm zum “kulturellen
    Dienstleistungsbetrieb” degradiert, der zum technischen Wissenschaftsoptimismus ohne Basis und Verantwortung beigetragen hat. Dabei wird dem Leser eine “Teilaufklärung” (Nagl 1972, S. 221) und politische Aktivität durch pseudo - wissenschaftliche Metaphysik ersetzt. Zum Teil sind die Vorwürfe Nagls durchaus richtig, aber letztlich doch völlig undifferenziert. Das Fundament, auf dem er die SF plazieren will, ist vor allem die Massen- und Schemaliteratur. Autoren einer Engagierten SF wie Lem und Jefremov werden als Ausnahmen zwar lobend erwähnt, aber nur in einem einzigen Satz.
    Darko Suvin 3 , als enthusiastischer Anhänger der Gattung, zählt zum SF auch die klassischen Utopien und Anti-Utopien. Wells ist dabei für ihn die
    Zentralgestalt der Neuzeit; die Geschichte der Gattung führt nach Suvin von den ältesten griechischen Vorstellungen über die Utopie

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