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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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nah, denn die neue Perspektive kann nur durch eine Vorbereitung mit einer Zielvorstellung gefunden werden. Der Unterschied der Autoren liegt darin, daß sich die “Attitüde” auf die Grundhaltung des Autors bezieht, während die Einordnung des Werkes zur SF “zu 90 Prozent aus der Erwartungshaltung” (Amery-Interview 1995, S. 5) des Lesers stammt. So viel möchte Lem dem Leser nicht überlassen:    die Konturen seiner “häretischen
    Gedanken” werden ausführlich im umfangreichen diskursiven Werk erklärt - tatsächlich sind sie auch dann nicht leicht zu verstehen.
    Subsummierend läßt sich mit Gottwald feststellen, daß die Interpretation der SF als Negation der utopischen Tradition sich nicht halten läßt (im Gegensatz vor allem zu Nagl, vgl. Gottwald 1990, S. 52). In ihrer Ansicht, daß nur die sozial engagierte SF eine Weiterentwicklung der Utopie sein kann, ergeben sich dagegen einige Unschärfen, denn eine feste Bindung an das soziale Element würde eine zu einseitige Fokussierung hervorrufen.
    Eine weitere Auslegung des Begriffs, beispielsweise als Typologisierung an sich, könnte sowohl politisches, soziales und philosophisches Engagement als auch die Bemühung um literarische Kunstfertigkeit in sich verbinden.
    Bei genauer Betrachtung der Definition von SF bei Gottwald 7  wird deutlich, daß ein Schwerpunkt auf der “erkenntnisbezogenen Verfremdung” 8  liegt, ein Begriff, der andere Lösungen 9 an Klarheit übertrifft. Der Begriff “Gedankenspiel” integriert zwar bereits das spielerische Element, erklärt aber bei Hienger den Gedanken zum Selbstzweck, nicht als mögliche Erkenntnis. Die “perspektivische Literatur” bei Lem ist eine vorsichtige Version von Schwonkes Begriff der “prognostischen Orientierung” in der Hoffnung, eine Perspektive auf die Zukunft eröffnen zu können, wenn es Lem auch schon bewußt ist, daß er keine Prognosen stellen kann.
    Eine “erkenntnisbezogene Verfremdung” 10  ist eine auf einem Zeitstrahl verschobene Alternative wenn nicht zu einer bestehenden, dann doch zu einer denkbaren Situation (d. h. eine Situation mit einem begründbar positiven Wahrscheinlichkeitsgrad) innerhalb eines imaginativen Rahmens. Der Begriff soll auch für diese Arbeit das grundlegende Kriterium für SF sein; allerdings muß der Einwand vorweggenommen werden, daß schließlich Literatur an sich eine Verfremdung der Wirklichkeit ist - auch die sogenannte “realistische Literatur”. In SF ist allerdings die Verfremdung im Gegensatz zu beispielsweie “realistischer” Literatur das erklärte Ziel. Zudem ist SF eine Variationsgattung, die sich eines Kanons von spezifischen Motiven bedient, die charakteristisch sind. Der Verfremdungseffekt wird durch die Kombination bestimmter Situationen (ein Kranker wird eingefroren, bis die Wissenschaft ihn heilen kann) mit diesen Motiven (durch den Kälteschlaf erlebt der Kranke eine Zeitreise) erzielt. Die veränderte Situation läßt einen weiten Interpretationsspielraum für den Autor offen. Das SF-Motiv kann auch außerhalb der Handlung stehen (z. B. eine weit zurückliegende Weltkatastrophe), muß aber wenigstens erwähnt werden.
    Der Interpretationsspielraum kann auf verschiedene Weisen angelegt werden:
    1.    mit einer affirmativen Bedeutung, bei der keine kritische Potenz entwickelt wird und Elemente der Geschichte unkritisch in die Zukunft übertragen werden (Galaxien, die wie das römische Reich organisiert werden)
    2.    mit einer Bedeutung, die das tatsächliche / vermutlich tatsächliche Geschehen in Frage stellt, indem die alternative Situation einen anderen (besseren oder schlechteren) Weg beschreibt. Somit träfe die kritische Potenz von SF die wenn nicht direkt, dann indirekt zum Tragen kommt durch das Aufzeigen von Alternativen, auf ein viel größeres Quantum von SF-Werken zu, als Gottwald angibt 11 (vgl. auch 2.2.).
    3. die satirischen SF, die eng mit 2. verbunden ist durch die Darstellung einer “verkehrten Welt”. Die Begriffe “Science” als Variable für (wissenschaftliche) Rationalität und “Fiction” als Motiv der imaginativen Fähigkeit des Menschen sind oft in der einen oder anderen Weise zu wörtlich genommen worden und stehen durch ihre angenommene Gegensätzlichkeit einer Definition im Wege. Aus diesem Grund hatte bereits 1936 Robert Heinlein versucht, den Begriff durch “Speculative Fiction” zu ersetzen. 12  Der Topos einer Utopie hat sich verändert: die Bezüge haben sich erweitert von

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