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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sein können, dennoch hält er seine Vorgehensweise als “allgemeinverbindliche wissenschaftliche Wahrheit” (Todorov, ebenda) für legitim. Das Werk wird von ihm auf drei Aspekte hin untersucht: den verbalen, den syntaktischen und den semantischen Aspekt (Todorov 1972, S. 21). Die höchste Abstraktionsebene, zu der Todorov sich in seiner Analyse hinwendet, ist die thematische Ebene; einer Interpretation möglicher Bedeutung oder der ästhetischen Komponenten will er sich nicht widmen. Das entspricht den strukturalistischen Prinzipien, schränkt aber den Aussagewert stark ein.
    Suerbaum leitet die Definition der SF von der rezeptionellen Seite ab: “…konstitutiv für eine Gattung ist es, daß Autoren und Publikum die Texte bewußt als zusammengehörig und aufeinander bezogen, als Teile eines gemeinsamen Feldes betrachten.” (Schulz 1986, S. 127) Auch Carl Amery, befragt durch Ulrike Gottwald, schließt sich diesem Ansatz an: “Ich habe nur ein einziges sf - Buch geschrieben: ‘Der Untergang der Stadt Passau’. Alle anderen …. wurden von der deutschen sf - Meinung adoptiert. Ich finde das hübsch und richtig: was sf im einzelnen ist, wird durch die Erwartungshaltung bestimmt.” (Gottwald 1990, S. 251) Dieser Position schließt sich Franz Rottensteiner, der Herausgeber des “Quarber Merkurs ” und Freund Lems an. Für ihn ist SF alles, was von Verlagen unter diesem Namen verkauft wird (vgl. Gottwald 1990, S. 19).
    Auch Pehlke und Lingfeld definieren SF nach den Marktgesetzen (im Unterschied zu Rottensteiner aufgrund eines kommunistisch geprägten Blickwinkels): “ Zur Science Fiction ist zu rechnen, was die Verlage unter diesem Namen auf den Markt werfen.” (Pehlke/Lingfeld 1970, S. 16) Produktion und Rezeption der SF unterliegen tatsächlich besondere Regeln, die aber nicht ausreichen, um die Gattung zu definieren; auf die Produktionsverhältnisse, die mit zur Definition der Engagierten SF als Unterstömung der gesamten SF beitragen, soll in 2.4. (Öffentlichkeit und SF) näher eingegangen werden. An dieser Stelle wird nur festgehalten, daß tatsächlich kaum eine andere Gattung so sehr von der Marktlage geprägt ist, wie die SF, und daß dies zu starken Qualitätsgefällen wesentlich beiträgt. Nun ist die Leseöffentlichkeit aus verschiedenen Gründe nicht ganz unvoreingenommen gegenüber der SF: sie gilt mit recht auch als Konsumgut, dementsprechend werden viele anspruchsvolle SF-Romane nicht als der Gattung zugehörig gekennzeichnet.
    Abgesehen von Todorovs Methode der stichprobenartigen, quasi statistischen Analyse von SF zur Entdeckung von Wesensmerkmalen zielen die Ansätze von Suerbaum, Amery, Pehlke/Lingfeld und Rottensteiner alle mehr oder weniger darauf ab, die Gattung über die Erwartungshaltung, die an sie gerichtet wird, zu definieren. Dieser Ansatz dringt aber noch nicht zum Wesen der SF-“Attitüde” vor.
    2.1.2. Die “ausgrenzende” Position
    Im folgenden sollen von den Kritikern bis zu den Enthusiasten Urteile über die Möglichkeiten gesammelt werden, die in der SF verborgen sind oder auch nicht. Immer wieder wird dabei der Bezug zur Utopie hergestellt, die sicherlich mehr enthält als bloßen Unterhaltungswert. Welche Potentiale können in der SF zwischen billiger Unterhaltung und prognostischer Orientierung tatsächlich gefunden werden?
    Der Soziologe Schwonke vertritt in seinem bereits genannten Werk eine geistesgeschichtlich -positivistische Utopie-Theorie, die in der SF weiterlebt. Er konstatiert allerdings einen Funktionswandel 1  in der “utopischen Literatur” 2 : vom “Leitbild des Handelns” entwickelte sie sich zur “prognostischen Orientierung” durch die steigende
    Bedeutung des technisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes. “Die Veränderung der Welt ist nicht mehr das direkt angesteuerte Ziel, die programmatische Forderung gegenüber den konservativ eingestellten Gegnern, sondern eine selbstverständlich gewordene Gegebenheit, mit der man sich auseinanderzusetzen hat.” (Schwonke 1957, S. 146) Aus diesem Grund wird seiner Ansicht nach die utopische Tradition über das utopische Denken auch in Zukunft nicht verlöschen und die Vision Mannheimers von einer zukunftslosen Welt, die sich nur noch selbst reproduziert, erfüllt sich nicht. Die SF wird bei Schwonke zum notwendigen Ausdruck eines politisch ungebundenen Utopismus. SF-Autoren werden in die Lage versetzt, auch mit falschen Hypothesen zu arbeiten, da nicht die Wahrheit, sondern eine “Steigerung des

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