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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Variationen über Roboter und technische Wunder vorwiegend Selbstzweck; möglicherweise macht sich Lem in “Kyberiade”    auch über dieses naive
    Technikverständnis lustig. Doch sind nicht alle Geschichten derart unverbindlich: ein Gegenbeispiel stellt das Werk der Brüder Strugackij dar. Sie thematisieren ethische und gesellschaftliche Konflikte in einer meist kommunistischen Zukunft.
    Tatsächlich wird in den WF, in denen der gesellschaftsprognostische Zweig über den mehr technischen dominiert, die Tradition der Utopie weiter fortgeführt als in der westlichen SF 16 . Seit Mitte der sechziger Jahre setzt sich in der sowjetischen
    Phantastik eine Tendenz durch, die sich als “Social Fiction” (Lück 1977, S. 315) bezeichnen läßt, eine gesellschaftsprognostische Literatur, die Lück bei Efremovs “Die Stunde des Stieres” beginnen läßt. In der “Social Fiction” lassen sich zwei thematische Schwerpunkte unterscheiden:
    1.    eine Imperialismus- und Faschismuskritik; Emcev und Parnov haben die Notwendigkeit, sich diesem Aspekt zu widmen, unter anderem mit dem Wahlerfolg der NPD in den sechziger Jahren in Westdeutschland begründet,
    2.    die Entwicklung einer Prognostik aus den Grundkenntnissen des historischen Materialis- mus 17 . In “ Kyberiade” spottet Lem über die Lächerlichkeit autoritärer Rituale wie Bürokratismus 18 und militärischen Drill 19 . Auf der einen Seite geben ihm wohl seine Erfahrungen mit der deutschen Besetzung
    Polens Grund genug 20 , auf der anderen Seite ist eine literarische Inspiration durch die WF nicht zu übersehen, zumal der Vergleich mit “Westliteratur” erst ab 1956 möglich ist. Der Spott auf die Autorität ist bei Lem doppeldeutig, denn die Kritik kann genauso auf die sozialistischen als auch die westlichen Systeme gerichtet werden. Aus diesem Grund hat weder die polnische noch die sowjetische Literaturkritik jener Jahre Lem anerkannt 21 .
    Letztlich hat die WF und mit ihr die “Social Fiction” mit denselben Problemen zu kämpfen, wie die SF im Westen: in einer Flut “wissenschaftlich-fantastischer” Veröffentlichungen    divergieren    die
    Qualitätsunterschiede in einem weiten Spektrum. Ein besonderer Umstand 22  dagegen ist die politische Ächtung, die einen Autor in seinem Schaffen beschränkte; auf eine politische Unbedenklichkeit haben die Autoren noch vor der Beobachtung der Marktlage zu achten, während sie sich im Westen weitgehend auf letzteres konzentrieren mußten, um von SF leben zu können.
    WF entstand vor allem in den sozialistisch orientierten Ländern. Motivkomplexe der SF werden von ihr aufgenommen und die ursprünglich strenge Ausrichtung auf utopische und didaktische Ziele gelockert. Eine produktive Rezeption der WF im SF-System findet dagegen nur in seltenen Fällen (Lem und die Brüder Strugackij sind die bekanntesten Namen) statt, doch wie Gottwald von einer eigenen WF-Gattung zu sprechen, würde zu weit führen, denn dafür sind die Gemeinsamkeiten zu offensichtlich. Die Methode der erkenntnisbezogenen Verfremdung wird kombiniert mit einer Reihe von typischen Motiven, die SF und WF gemeinsam sind. Auf die Methode und besonders eine etwas ausführlichere Darstellung der Motive wird noch eingegangen werden, doch zunächst soll die Besonderheit der Makrostruktur, in die die Gattung SF eingebettet ist, in einem Exkurs betrachtet werden. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, Trivialität und Literatizität über das besondere Verhältnis von Literaturproduktion und -rezeption für diese Gattung zu unterscheiden, da eine solche Unterscheidung inhaltlich, beispielsweise durch die Stoffwahl, schwerlich zu treffen ist .
    2. 4. Öffentlichkeit und SF
    In “Bileams Esel” (Amery 1991) geht Amery in dem Aufsatz “SF-Ware und Erwartungshaltung” auf die Beziehung zwischen der Gattung SF und ihren Produktionsverhältnissen ein; er stellt darin fest, daß die SF zu neunzig Prozent von der Erwartungshaltung bestimmt wird. “Der Markt ist das allerjämmerlichste an der ganzen Geschichte. Verstehen Sie, ich habe nicht dagegen, daß es auch als Gattung läuft.” (Amery-Interview 1995, S. 15). Amery überläßt im Unterschied zu Lem die Gattungsfrage vollständig dem Leser. Er betrachtet das Problem, dem Lem viel Engagement gewidmet hat, als nebensächlich. 23
    “Warum läßt sich das Universum, das der SF abhanden gekommen ist, nicht mehr zurückgewinnen? Man kann einfach behaupten, daß dies die Marktgesetze

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