Im Informationszeitalter
grenzt den ästhetischen Aspekt sogar definitorisch aus. Gesucht werden Merkmale des Phantastischen auf der Ebene des Textes.
Suvin dagegen definiert SF über die Wechselwirkung von Verfremdung und Erkenntnis, dem als Hilfsmittel ein imaginativer Rahmen an die Seite gestellt wird (vgl.2.1.2.). Wenn er in diesem Zusammenhang die Geschichte der Gattung SF von den ältesten griechischen Vorstellungen über den Staatsroman der Renaissance und die Romantiker zu Verne und Wells zu einer Entwicklungslinie verbindet, kann er sich dabei ausschließlich auf eine (angenommene) Gemeinsamkeit in der Geisteshaltung beziehen.
Es ist anzunehmen, daß sich SF letztlich nur durch eine Verbindung der Gattung und der Geisteshaltung definieren läßt. Es gibt Merkmale, die die Gattung braucht, um zu dem zu werden, was sie ist, daneben erfordert es eine bestimmte “Attitüde” (nach Amery), um aus SF eine “Literatur als record of total experience’” (Amery-Interview, S. 17) werden zu lassen. Gottwald versucht in ihrer Definition beide Aspekte zu vereinen: formaler Rahmen ist für sie die “erkenntnisbezogene Verfremdung”; die Intention kann “sowohl in inhaltlich nicht festgelegter Weise erzieherisch als auch ausschließlich an spielerischen Text- und Motivvariationen interessiert sein”. (Gottwald 1990, S. 25)
Wichtig ist die Unterscheidung von SF-“Handwerk” und SF-Intention, um beide in einem angemessenen
Rahmen zu verbinden. Die “spielerischen Text- und Motivvariationen” gehören allerdings nicht in erster Linie zur Intention: zunächst sind sie das “Handwerk”, mit dem der Autor ein innovatives Handlungsgerüst konstruieren kann. Erst in einem zweiten Schritt, wenn das Mittel zum Selbstzweck wird, gehören Text- und Motivvariationen in den Bereich der Intentiton. Im allgemeinen sollen diese Werke, in denen das Abenteuer überbetont ist und kaum über die Textwirklichkeit hinausweist, nicht zur Engagierten SF gezählt werden 29 .
Die “erkenntnisbezogene Verfremdung” wiederum ist mehr als nur der formale Rahmen. Sie ist sowohl Methode als auch Ziel. Zur Methode gehört es, (vom Leser identifizierbare) Elemente der erfahrbaren Welt (auch wenn sie bereits Geschichte sind) zu isolieren und in ein Modell einzufügen, das eine neue Perspektive auf das isolierte “Modul der Wirklichkeit” (eine Gesellschaftsordnung beispielsweise) fallen läßt; insofern ist die “erkenntnisbezogene Verfremdung” auch das Ziel. Im Prinzip geht es darum, daß auf das bewußt provozierte Staunen das Verstehen und Lernen folgt.
“Trivial ist, wenn man so will, dann doch durch den Anspruch zu messen, die Welt, wenn nicht zu verändern, dann doch zusätzlich zu beleuchten, eine Erfahrung zu erweitern.” (Amery-Interview, S. 16). SF, die nachweislich versucht, diesen Anspruch zu erfüllen, soll Engagierte SF genannt werden. Daß SF -wie bei Gottwald erwähnt - letztlich einen Unterhaltungscharakter hat, soll in die Definition miteingeschlossen werden; schließlich sagt dieser Begriff nichts über die literarische “Qualität” aus. Zunächst noch ein kurzer Exkurs in das “Handwerk”: es ist an dieser Stelle nötig, die am häufigsten vorkommenden Motive der SF zu erwähnen und kurz zu charakterisieren:
1. Die Reise durch den Raum
Sie ist wohl das bekannteste Motiv der SF; lange Zeit wurde SF aus diesem Grund in Deutschland auch “Weltraumroman” genannt.
2. Die Reise durch die Zeit
Mit der Reise durch die Zeit hat der Mensch in der Zukunft und in der Gegenwart die Möglichkeit, den Zeitstrom seiner eigenen Geschichte umzuleiten oder ihn zumindest genauer unter die Lupe zu nehmen -meist mit der Konsequenz (oder der Intention) einer veränderten Gegenwart.
3. Alternativ- und Parallelwelten
Die Parallelwelt kann neben der uns bekannten Welt bestehen und einen völlig anderen Charakter haben. Die Alternativwelt dagegen existiert auf der Basis der bekannten Welt, deren Geschichte aber einen anderen Verlauf genommen hat (die Existenz von Alternativwelten ist häufig mit einer Zeitreise verbunden). “Die Parallelwelt wird betreten, wenn eine
Romanfigur diesen Bruch vollzieht; die Alternativwelt wird betreten, wenn der Romanautor diesen Bruch durch ein besonders geschichtsträchtiges Ereignis inszeniert.” (Kurtz 1992, S. 68)
4. Die Katastrophe
Die Katastrophe kann natürliche Ursachen (eine neue Eiszeit) oder künstliche haben; die letztere Möglichkeit ist oft in Verbindung gebracht worden
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