Im Informationszeitalter
bestehende Schemata über einen Analogieschluß verändert/erweitert werden.
Es ist natürlich nicht leicht, die Angemessenheit von Analogien zu beurteilen; das Beispiel soll nur skizzenhaft den Mechanismus veranschaulichen. Der künstlerische Anspruch von SF kann somit nicht zuletzt durch die Gestaltung und Verknüpfung von Motiven zu “analogiereichen Modellen” beurteilt werden; letztendlich bildet erst der Leser den analogischen Schluß, denn dieser befindet sich außerhalb des direkten Einflusses des Autors. Aufbauend auf der Definition Gottwalds und mit den aufgeführten Ergänzungen wurde der Begriff der Engagierten SF umrissen. Im Folgenden werden je zwei Werke von Lem und Amery im Wechsel miteinander verglichen. Bei jeder Analyse wird zunächst auf die Methode der Verfremdung und die verwendeten Motive eingegangen werden, anschließend auf die Intention und die Möglichkeiten außertextualen Bezugs.
3. Carl Amery: “Das Königsprojekt”
Auf die Frage, wie er bei der Konzeption eines neuen Romans vor gehe, antwortete Amery: “Meistens
brauche ich zwei kritische Massen, zwei Stoffelder, die zusammenschmelzen, also im Fall von “ Königsprojekt ” das vatikanische Komplott, der James Bond des Vatikans mit seiner Zeitmaschine und diese bayrische Gaudi…” (Amery-Interview 1995, S. 1) Beide “kritischen Massen” sollen bei der Untersuchung berücksichtigt werden. “Das Königsprojekt ” ist zunächst ein Roman mit “katholischer Thematik” (vgl.: Amery 1967, S. 108-119).
Aus dem Nachlaß Leonardo da Vincis 31 gelangt eine Zeitmaschine in den Besitz der Kirche, die der Vatikan über Jahrhunderte hinweg benutzt, um die Geschichte in seinem Sinn zu ändern. Soldaten der Schweizer Garde werden in die Vergangenheit geschleust, um dort so unauffällig wie möglich zu operieren; diesen Operationen ist nur sehr begrenzter Erfolg beschienen. 1688 beginnt daher ein auf lange Sicht angelegtes Projekt, das Progetto Reale (Königsprojekt), von dem nicht einmal der Papst unterrichtet wird. Die Abspaltung der Anglikanischen Kirche soll dadurch unterbunden werden, daß der Anspruch der Wittelsbacher auf den schottischen Königsthron durchgesetzt wird, um in England das katholische Königshaus zu etablieren.
Nachdem Doensmaker von der “Theoretischen Abteilung” des Projektes die englischen Jakobiten geprüft und für zu schwach befunden hat, entscheidet man sich nicht für die englisch - schottische Version, sondern zunächst nur für eine rein schottischen Erhebung. “Eine solche Aktion ist in Vorbereitung, und zwar zeichnet sich die Zusammenarbeit des lokalen Clans McLaubhraigh mit loyalen Einheiten bayrischer Gebirgsschützen und Veteranen ab.” (KP, S. 77) Der erwähnte Clan vergibt Mitgliedschaften als touristische Attraktion. Die oben genannten “kritischen Massen” beginnen zu verschmelzen.
Im “Königsprojekt” verbünden sich schottische und bayrische “Provinzler” zu einer gemeinsamen, anachronistischen Armee. Die schottische und bayrischen Provinztraditionen werden im Roman durch “Seumas” Jimmy Krauthobler, den Jungunternehmer, der eine Mitgliedschaft im oben genannten Clan erwirbt, über das bayrische Herrscherhaus verknüpft. “Der Provinzler ist, im ganzen gesehen, politisch und sozial leistungsfähiger als der Großstätter.” (Amery 1967, S. 51), schon deswegen, weil in der Provinz das Interesse an der Politik an (persönlich) bekannten Personen festgemacht werden kann. “Ja, der Provinzler ist schicksalsgläubig.” (Amery 1967, S. 53) Amery spottet dieser naiven Schicksalsgläubigkeit 32 , die zu blindem Aktionismus führt, aber mit spürbarer Zuneigung, indem er die Personen als Originale erscheinen läßt. Wie Lem mit Polen ist Amery eng mit Bayern und bayrischer Geschichte - auch mit ihren Skurrilitäten - verbunden. Dieser Aspekt wäre eine eigene Untersuchung wert; im folgenden soll aber vor allem die Darstellung der Beziehung von Kirche und Welt (3. 2.) und Amerys Geschichtsauffassung (3. 3.) im Vordergrund stehen. Unter diesem Gesichtspunkt müssen auch die ausgiebigen Abenteuerhandlungen (die Schatzsuche White-Footlings alias Füßli, die Geschichte des Lia Fail, des Krönungssteins und der schottische Aufstand, u. v. m.) in den Hintergrund treten.
Das “Königsprojekt” endet vor allem durch die Sabotage Doensmakers ohne Erfolg; in einem geheimen Unterprojekt “Genesis 7” wird der Krönungsstein durch Füßli auf sein Geheiß an einem Ort deponiert,
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