Im Informationszeitalter
nähern. Hier nähern sich die kulturkritischen Ansätze von Lem und Amery einander an.
Die Besonderheit in der Darstellung Lems ist das Zusammenführen dreier Ebenen: der Märchenwelt einer mythischen Vergangenheit, die bestehende Welt, in der man sich mit Postkarten verständigt (Kyberiade,
S. 207), in der es aber auch tyrannische Herrscher gibt, 113 und die Zukunftswelt, in der es möglich ist, Atome zu verzwirnen und eine Nachricht den Kosmos umkreisen zu lassen. In der Einleitung zur 12. Fabel wird auch diese Zukunftswelt an ihre Grenzen geführt:
“Das Weltall ist unendlich, aber begrenzt, und deshalb kehrt ein Lichtstrahl, wohin er auch aufbricht, nach Milliarden von Jahrhunderten an seinen Ausgangspunkt zurück … Der aber (Klapauzius, AA.) erklärte ihm (Trurl, AA.), die Nachricht spreche nicht von geheimnisvolllen Rivalen, son-dem von ihnen selbst, sie habe den Kosmos umkreist.” (Kyberiade, S. 175)
Damit wird auch die Unendlichkeit zu einem geschlossenen System. Ein ähnliches Bild von der Welt als “Schachtelsystem” hat nach H. R. Jauß der mittelalterliche Mensch: über ihm war das
Himmelszelt, darüber die Welt der Engel, darüber das Reich Gottes, unter ihm die Stufen der Hölle. Für den mittelalterlichen Menschen, so mutmaßt Jauß 25 , ist dieses System integrativ; er fühlt sich in einer Ordnung aufgehoben, in der der Platz, den er einnimmt, sein Platz war. Für Trurl wird der Kosmos zum Gefängnis, da es keine Welt über ihm gibt, an die er glauben kann; das Prinzip der Ordnung der Dinge, wie es sich dem mittelalterlichen Menschen wohl präsentiert haben mag, endet für den fast allmächtigen Konstrukteur an der Grenze der Leere und damit auch der Beliebigkeit. Wonach soll er noch streben? “Thus, science fiction thrusts the reader into a fear-inducing, unknown future, but the fable wish him back into the comforting familiarity of a distant, ostensivly dreaming past.” (Ziegfeld 1985 S. 91). Durch zunehmende Individualisierung und gleichzeitige Vermassung besonders in den westlichen Hemisphären verlieren die integrativen Momente der Kulturen mehr und mehr an Boden.
Trurl und Klapauzius sind im modernen Sinne “individualisierte Charaktere” 26 ; der Wechsel zwischen Extrovertiertheit und Introvertiertheit, die intellektuelle Experimentier- und die Reisefreudigkeit könnte ein Psychologe als eine unbewußte Suche nach Sinn und Werten deuten. Ist die Suche nach der absoluten Glückseligkeit in der fünfzehnten Fabel “Experimenta Felicitologica” letztlich eine Spielart klaustrophobischer Ängste, die daraus resultiert, daß ein Jenseits nicht existiert?
Diese Suche nach dauerhaften Werten soll im Folgenden, aber auch bezogen auf Lem selbst in 7.2. mit Bezug auf sein diskursives Werk untersucht werden.
4.2. Menschheit und “Roboterheit”: Auf der Suche nach Werten
Das Robotermotiv durchläuft in der SF verschiedene Stadien vom unbelebten, feindseligen Gegenüber über die Wende bei Asimov zu einer Verbesserung der Unzulänglichkeiten des Menschen (was nicht bedeutet, daß die feindseligen Roboter damit ausgestorben sind). In diesem Zusammenhang persifliert Lem immer wieder die Evolution des Menschen:
“Der Schimmel ward zu Fischlein; die krochen, als es ihnen im Wasser zu eng wurde, an Land, erprobten auf dem
Trockenen viele Kniffe und saugten sich unterwegs irgendwo fest. Zu Säugern geworden gelangten sie über das Hinken zu geschicktem Gehen und dadurch, daß sie sich gegenseitig das Leben schwer machten, zu Verstand…” (Lem in: Marzin 1985, S. 89)
Aufgrund ihrer Physiognomie erscheinen die Menschen den Robotern als völlige Verirrung der Natur: sie bestehen fast nur aus Wasser und müssen Artgenossen, Tiere, töten, um zu leben.
Nach Lem (Lem in: Rose 1976, S. 72-88) sind in der SF die Relationen zwischen Menschen und Robotern in den meisten SF-Romanen auf etwa vier Stereotypen beschränkt, wodurch sie seiner Ansicht nach zu uninteressanten Wesen werden.
Sie veranschaulichen:
1. die Relation von Mensch und Maschine (in “ Kyberiade ” von Maschinen”mensch” und Maschine)
2. das Verhältnis von Herr und mechanischem Sklaven (der in den Fabeln immer wieder rebelliert und auf seine Rechte als bewußtes Wesen pocht)
3. das Verhältnis von Mensch und Incubus/Succubus (nicht im religiösen, sondern im symbiotischen Sinn beispielsweise in Verbindung mit dem 4. SF-Motiv der Dividierung von Individuen)
4. das Verhältnis von Mensch
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