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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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funktioniert, daß alles existiert, was benannt und definiert werden kann;
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    daher sind Trurls Experimente in der 15. Fabel als Versuche einer Begriffsdefinition von “Glück” aufzufassen. “The principle of creation in these stories is linguistic; creation takes place, because the appropriate words exist or can be invented …” (Hayles in: SFS Juli 1986, S. 296). Auf die ersten Fabeln mag das zutreffen, doch lassen sich die Fabeln nicht auf reine Sprachspiele reduzieren, da die Analogien auf viel zu komplexe Hintergründe referieren. “Sprachmagie” ist ein Teil der Märchenregeln 17 , doch ist sie ein Teil in einem größeren Zusammenhang.
    Im Vorwort zu “ Solaris ” kritisiert Lem den besonders in amerikanischer SF vorkommenden Usus im Umgang mit außerirdischen Intelligenzen, der sich häufig auf die Formel: “Entweder gemeinsam, oder wir sie, oder sie uns” beschränkt. Lem bemängelt diese Tradition als “schematische mechanistische Übertragung der irdischen Bedingungen” (Lem 1987,
    S. 33)
    In “Kyberiade” werden dagegen bewußt schematische Elemente irdischer Bedingungen in eine Kultur ohne Menschen übertragen - mit parodistischer Absicht. In dieser “Gegenwelt” ist der Mensch ein Schreckgespenst aus vergangenen Zeiten. Jarzebski deutet die Fabeln als “Parodie auf eine philosophische Fabel im Stil Voltaires, eine Parodie, notabene eine vortreffliche, auf Kindermärchen…” (Jarzebski in: Berthel 1976, S. 86). In der Form wird das Kindermärchen parodiert, nicht aber in dem Sinne, daß es keine Lehre, keine Moral gäbe, auch wenn den Pro-tagonisten die Antworten fehlen und sie in der letzten Fabel sich an eine höhere Instanz wenden müssen: ihren Lehrern (vgl. 4. 3.).
    Zur Kreation seiner phantastischen Welt benutzt Lem folgende Elemente des Märchens:
    >    die Erzählhandlung unterliegt einem bestimmten System von Regeln, zum Beispiel der dreimaligen Wiederholung (die Geschichtenerzählungen für einen König in der 13. Fabel beispielsweise),
    >    “Wunder” und Magie stehen neben den quasiwissenschaftlichen Erfindungen 18 ,
    >    stilistische und wortbildende Merkmale des Märchens werden mit technischen Begriffen zu Einheiten verbunden (z. B. “Kyberhexe, Elektritter”) 106 ,
    >    der Gebrauch von Symbolen ist das zentralste Stilmittel; die Symbole werden auf vier verschiedenen Ebenen verwendet:
    a.)    sie reflektieren eine Abstraktion, die an anderer Stelle im Text vorkommt (die Eigenständigkeit artifiziellen Bewußtseins, symbolisiert durch die immer wiederkehrende Verweigerung der Maschinen; diese Eigenständigkeit verhindert die “Beglückungsversuche” der 14. und 15. Fabel)
    b.)    sie veranschaulichen eine Abstraktion durch das Hinzufügen von Details oder durch Vereinfachung eines komplexen Gedankens (das mathematisch hergeleitete Ungeheuer der 6. Fabel verhält sich wie ein bekanntes Märchenungeheuer)
    c.)    an ihnen kristallisieren sich Zusammenhänge heraus, die sonst diffus und subtil erschienen (die Existenz der “Könige” als Symbol für die Ordnung, in die sich Trurl und Klapauzius einfügen)
    d.)    sie fungieren als Katalysatoren, an denen sich die Handlung entwickelt (beispielsweise die Drachen als Symbol für Unwahrscheinlichkeit in der 7. Fabel)
    In manchen Fabeln erscheinen die Symbole schon im Titel, so der “Dämon II. Ordnung” als Symbol für die Waffentechnik. Die Symbole werden nicht nur als integrales Element verwendet; häufig sind sie Träger der existenziellen philosophischen Idee, die in die Fabel eingebettet ist. Anachronismen sind eine durchgehende Struktureinheit, beginnend bei den Details (Trurl kriecht nach der Arbeit an seinem Computer rußgeschwärzt aus ihm hervor) bis zu den tyrannischen Gesellschaftsformen, die durch die Herrscher symbolisiert werden. Die Anachronismen sind auf der einen Seite Träger der satirischen Darstellung 19 , auf der anderen Seite fügen sie “Realismuskomponenten” in den Text ein, die, projektiert auf den Hintergrund, auf ungewöhnliche Weise die Distanz zwischen der Welt des Textes und der des Lesers verkürzt. Auf diese Weise erst kann überhaupt das rationale Element in eine Welt eingefügt werden, die kaum noch an die physikalischen Gesetze unserer Zeit gebunden ist. Erst dadurch, daß ein Computer noch Kathoden enthält, die durchbrennen können, läßt sich zumindest ansatzweise seine Eigenwilligkeit erklären.
    Die Märchenelemente schaffen eine abstrakte

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