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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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verwendet, so daß ihre eigentliche “Alien”-haftigkeit erst im Laufe längerer Lektüre erschlossen werden kann. 29 Allerdings durchlaufen sie, anders als Pirx oder Tichy, keine charakterliche Entwicklung; sie bleiben statische Figuren. Ihre überragenden, gottgleichen Fähigkeiten auf technologischem Gebiet sind von Beginn der ersten Fabel an offensichtlich.
    “Seit einiger Zeit hat sich die Auffassung herausgebildet, daß die Bedingungen der modernen und zukünftigen zivilisatorischen Evolution nicht perfekt spezialisierte Individuen begünstigen werden, sondern vielmehr äußerst ‘flexible’, nicht in Routine erstarrte, die zur Anpassung an die veränderten zivilisatorischen Bedingungen fähig sind.” (Berthel 1976, S. 80)
    Intuitive Helden wie Pirx haben diese Flexibilität durch ihre Unvollkommenheit, die sie zur Improvisation in Extremlagen zwingt; deswegen haben sie oft eine Chance gegenüber einer übermächtig erscheinenden Maschinerie. Individualität hat nach Lem einen Selektionsvorteil vor Perfektion.
    In “Wie die Welt nocheinmal davonkam” (die erste Fabel) ist die Machine Trurls ein technisches Wunderwerk, das in der Lage ist, alles zu produzieren, was mit dem Buchstaben “n” beginnt. Neben dieser Fähigkeit hat sie allerdings noch durchaus gewöhnliche Eigenschaften, wie zum Beispiel Starrsinn und Eitelkeit. Als Klapauzius die Maschine (nach der Art des Märchens dreimalig) testen will, fordert er als dritte Aufgabe von ihr, das Nichts zu produzieren. Deshalb verschwinden für alle Zeiten die Sanguinen, Kamikätzchen, Phantolemchen 30 und vieles mehr aus jener Welt. Entsetzt nimmt Klapauzius den Befehl zurück, da er sich erst jetzt seiner Konsequenzen bewußt wird. Die Maschine dazu: “Hätte ich das Nichts sogleich, mit einem einzigen Schlag geschaffen, hätte ja alles aufgehört zu existieren…Und wer könnte in diesem Fall und vor allem wem könnte er in diesem Fall sagen, … daß ich eine höchst effiziente Maschine bin.” (Kyberiade S. 13). Bemerkenswert in dieser Fabel ist das “Selbst-Bewußtsein” der Maschine im doppelten Sinn: zum einen tritt sie respektlos vor ihrem Schöpfer auf, zum anderen hat sie die Fähigkeit zur Reflexion, die Eigenschaft, die nach Amery den Menschen erst zum Menschen macht 120 . Menschlicher und maschineller Charakter sind somit nicht mehr auseinanderzuhalten; dazu muß berücksichtigt werden, daß die Maschine von einer anderen Maschine, Trurl, gebaut wurde, die in diesem Fall die Platzhalterrolle für “Mensch” übernimmt.
    In der zweiten Fabel “Trurls Maschine ” rebelliert eine andere Maschine gegen die Logik ihres Schöpfers: in einem ersten Testlauf besteht sie darauf, das zwei und zwei sieben ergibt und zwingt später Trurl durch Gewalt, dieses Ergebnis zu bestätigen. “The new cosmology also explaines the fact, known since the 1960s, that mathematics take many forms, and the form in which it developed historically on Earth is only one of many possible varieties.” (Lem in: SFS März 1981, S. 57). Im Scherz weist Lem in dieser Fabel darauf hin, daß unsere Logik nur eine der möglichen und denkbaren Logikformen ist.
    In “Reise Eins A oder Trurls Elektrobarde” baut Lem auf der Geschichte von “TrurlsMaschine” auf. Weil er sich so vor Klapauzius blamiert hat, will Trurl eine Maschine konstruieren, die in der Lage ist, makellose Lyrik zu produzieren. “Zu diesem Zweck besorgte sich Trurl kybernetische Literatur im Gesamtgewicht von achthundertzwanzig Tonnen sowie zwölftausend
    Tonnen der allerfeinsten Poesie…” (Kyberiade, S. 47). Wie nach einem überdimensionierten Kochrezept vorgehend konzipiert Trurl seinen Barden, ohne selbst etwas von Poesie zu verstehen. Das Experiment gelingt nach einigen Anlaufschwierigkeiten, doch erweist sich die Maschine, die Trurl geschaffen hat, als Ungeheuer, das Gedichte in jeder beliebigen Form auf Bestellung schreibt. So soll sie, von Klapauzius getestet, ein Gedicht verfassen, das von Liebe und Tod handelt, “aber alles muß in der Sprache der höheren Mathematik ausgedrückt sein, im wesentlichen Tensor-Algebra, vielleicht ein wenig höhere Topologie und Analyse. Dabei erotisch stark, sogar etwas gewagt und natürlich ganz im Geiste der Kybernetik.” (Kyberiade, S. 56). Tatsächlich produziert der Computer ein solches Machwerk in 9 Strophen zu je vier Zeilen:
    ((
    Erstarren meine positiven Glieder,
    Näht man mein topologisch Leichenhemd,
    Vergiß mich nicht, werd mir nicht

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