Im Informationszeitalter
ökologischen Materialismus läßt sich das politische Engagement Amerys weitgehend subsummieren. “Eine ökologisch korrekte, oder halbwegs korrekte Beziehung zur Umwelt hat es ohne … religiöses Interpretationsmuster nicht gegeben.” (Amery 1985 a, S. 363). Auf diese Weise fügen sich Religion, Politik und Kunst zu einer harmonischen Einheit zusammen, die Lem fehlt. Die Erwartung einer Endzeit, früher selbstverständlicher Bestandteil christlicher Lehre und kirchlicher Mahnung, nimmt nach Amery jetzt Formen an; sie wurde durch eine neue Gläubigkeit an die unerschöpflichen Möglichkeiten der Technologie ersetzt. “Indem Bodin die Sakralgeschichte, die menschliche und die Naturgeschichte voneinander trennte, verwandelte er die Frage nach der Endzeit in ein Problem astronomischer und mathematischer Berechnungen.” (Kossellek 1979, S. 25). Doch gibt es in dieser Endzeittheorie noch eine Heilserwartung? Amery stellt das zunehmende Verschwinden von Gott in der Gesellschaft ab 1900 fest. Das 20. Jahrhundert ist zudem das erste Jahrhundert, in dem sich die Frage nach der weiteren Existenz der Menschheit stellt. Die Entwicklung bis dahin sieht Amery in der “Botschaft des Jahrtausends ” in drei Stufen:
1. In der “magischen Frühzeit” ging es in erster Linie um eine Versöhnung mit der Natur;
2. im Zeitraum von 1500 bis 550 Jahren vor Christus hatte sich die Welt dann entscheidend verändert: “Lange vor den exakten Wissenschaften verschob sich das religiöse Interesse.” (Botschaft 1994, S. 164). Nicht mehr die Versöhnung mit der Natur stand im Mittelpunkt, sondern die “seelischen und gesellschaftlichen Gefährdungen” des Menschens. Dieser Übergang ging natürlich nicht nahtlos vonstatten; so wurde der Katholizismus später von Traditionen beeinflußt, die heute noch von bayrischem, irischem, italienischem, usw. Katholizismus sprechen lassen. Schließlich schließt Gott mit den Menschen einen Pakt: im Osterereignis feiern wir den endgültigen Sieg über den Tod. Dieser Sieg scheint uns bereits gesichert, ein Kampf um das Überleben mußte nicht weiter gesichert werden.
3. “Nun, der letzte Schritt in die Weltlichkeit schien den Aufklärern zunächst nichts anderes als der Abschied vom Aberglaube zu sein; …” (Botschaft
1994, S. 167). Damit wurde nach Amery die Sinnsuche oberhalb einer “Bedürftnisdeckung” für das Säugetier Mensch eingestellt. Die Fähigkeit zur Reflexion, die den Menschen erst zu einem solchen macht, trat innerhalb dieser Entwicklung in den Dienst der animalischen Bedürftnisse. Die Kirche, zu Beginn noch kritisch gegenüber diesen Entwicklungen, integrierte sich alsbald als (gesellschaftliche) Institution.
Die nichtmenschliche Schöpfung tritt nach Amery in diesem Jahrhundert erstmalig wieder in den Blickpunkt der Religion.
“Das Christentum bietet dem Menschen die Hoffnung auf Erlösung, selbst wenn er versagen sollte. Die Utopie hingegen ist auch in ihrem letzten Stadium grundsätzlich innerweltlich, und die Folgen eines endgültigen Versagens der Menschheit vor ihren Zukunftsaufgaben kann für sie nur ihr Untergang sein, dem keine Auferstehung mehr folgt.” (Schwonke 1957, S. 144)
und: “Das Fehlen echter Transzendenz trennt die Utopie von christlicher Religiosität, verbindet sie jedoch mit dem Mythos, der das Göttliche in den Widerspruch und den Wechsel des Bedingten hineinzieht.” (Schwonke 1957, ebenda). Amery ist (Anti-)Utopist und kritischer Katholik zugleich, doch auch er kann sich nicht dem Aspekt der Bedingtheit des Göttlichen entziehen: stellvertretend für Gott stellt er in der “ Botschaft ” die Menschheit vor die Wahl
zwischen Leben und Tod, kann aber auch keinen praktikabelen Ausweg anbieten. 170 Amery schließt den historischen Kreis seiner
Religionsgeschichte so, nachdem fast 2500 Jahre lang die anthropozentrische Perspektive alle anderen
verdrängte: “Die nichtmenschliche Welt bis tief hinab in die Welt der Rohstoffe und Resourcen tritt plötzlich und sozusagen überfallartig auch ins religiöse
Bewußtsein.” (Botschaft 1994, S. 169.) Nachdem der Mensch der biblischen Aufforderung nachgekommen ist und sich die Erde untertan gemacht hat, muß er nun auch die Verantwortung für sie übernehmen. Die Frage nach der Zukunft ist damit für Amery eine religiöse Frage. “Die Prognose produziert die Zeit, aus der heraus und in die hinein sie sich entwirft, wogegen die apokalyptische Prophetie die Zeit
Weitere Kostenlose Bücher